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Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹ - Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Seite - 319 -
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Otto R. Schatz –Neue Sachlichkeit und Proletkult 319 treffend, es wurde schon kaum etwas nachgewiesen. Man nannte es Arbeitsamt. Arbeit kam nur noch amtlich darin vor. Heute spricht man nur noch von Stempelstellen.49 Das schrieb Maria Leitner 1929 in ihrer Reportagenserie Frauen im Sturm der Zeit, als mit der Weltwirtschaftskrise die Massenarbeitslosigkeit in Österreich einen neuen Höhepunkt erreichte. Ein Jahr später fragte Siegfried Kracauer in seinem Feuilleton „Über Arbeitsnachweise“ nach der Ausgestaltung der Lokali- täten zur Verwaltung der Arbeitslosigkeit, denn jeder typische Raum wird durch typische gesellschaftliche Verhältnisse zustande gebracht, die sich ohne die störende Dazwischenkunft des Bewußtseins in ihm ausdrücken. Alles vom Bewußtsein Verleugnete, alles, was sonst geflissentlich übersehen wird, ist an sei- nem Aufbau beteiligt. Die Raumbilder sind die Träume der Gesellschaft. Wo immer die Hieroglyphe irgendeines Raumbildes entziffert ist, dort bietet sich der Grund der sozialen Wirklichkeit dar.50 Schatz’ Arbeitslose wirken wie eine bildkünstlerische Entzifferung des Raum- bildes „Stempelstelle“. Auf einer Holzbank sitzen und dösen die wartenden Arbeitslosen im Zeichen des Verbotsschilds, ohne jede Hoffnung und ohne jede Perspektive. Auch Schatz’ Schneeschaufler gehören in die Serie zum Thema Massenarbeits- losigkeit. Schneeschaufeln als ersehnte Verdienstmöglichkeit war ein Standard- motiv der Arbeitslosenliteratur der Zeit, wie die Arbeit als Sandwich-Mann  – also im Dienst jener Reklamewelt, die in der Großstadtliteratur als Teil des neuen Stadtbilds eine zentrale Rolle einnimmt  – oder das Warten vor Baustellen, bis einer der unterernährten Arbeiter aus Schwäche ausfallen könnte. Schatz’ Blatt Schneeschaufler zeigt die konzentrierte Arbeit, die schlechte Kleidung (die Lap- pen an den Füßen der rechten Frauen-Figur), ohne sie auszustellen, aber auch die Verbitterung in der linken Vordergrundfigur mit der Hacke, und vor allem die radikale Isolierung der Menschen im Zeichen der Verelendung, wo jeder für sich versuchen muss, so lange durchzuhalten, bis die Schicht vorbei ist und die paar damit verdienten Groschen abgeholt werden können. 49 Maria Leitner:  Frauen im Sturm der Zeit. In:  dies.:  Elisabeth, ein Hitlermädchen. Erzählende Prosa, Reportagen und Berichte. Berlin–Weimar:  Aufbau 1985, S.  158– 194, zit. S.  161f. 50 Siegfried Kracauer:  Ueber Arbeitsnachweise. In:  Frankfurter Zeitung und Handels- blatt, Erstes Morgenblatt (17.6.1930), S.  1f., zit. S.  1.
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Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹ Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Titel
Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
Untertitel
Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Autor
Primus-Heinz Kucher
Herausgeber
Rebecca Unterberger
Datum
2019
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-631-78199-9
Abmessungen
14.8 x 21.0 cm
Seiten
466
Kategorie
Kunst und Kultur
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