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10 Vorworte der herausgebenden Institutionen
geißelt die österreichische Tendenz zu spießbürgerlicher Selbstbezogenheit : »Aufgezo-
gen in engen Gesichtskreisen, befangen durch die engen Gewohnheiten eines kleinen
gewerblichen und industriellen Lebens, wächst der Binnenländer – und ein solcher ist
der Österreicher
– heran, pflegt mit Liebe seine particularistischen Gesichtspunkte und
überschätzt die kleinen Erfolge in beengten Kreisen, auf beschränktem Gebiet.«3 Und
wie sehr Eitelberger sich als Weltbürger sieht und diese Einstellung seinen Zeitgenos-
sen zum Vorbild macht, könnte aktueller nicht sein. »Wer, wie das moderne Weltkind,
auf jedem Schritt genöthigt ist, die ganze Welt zu brauchen, der muss jedwede Engher-
zigkeit aus seiner Seele bannen.«4
Eitelberger glaubte an die Kraft der Kunst, mehr noch als an jene der Technologie.
Eben das brachte ihn auch in Konflikt mit Wilhelm Exner, der bei der Ausformung der
Inhalte sowohl des Österreichischen Museums für Kunst und Industrie als auch der Kunst-
gewerbeschule eine viel engere Bindung an die Aspekte von Technologie, Konstruktion
und Zweckerfüllung und weniger die Betonung der künstlerischen Gestaltung forderte,
als dies von Eitelberger letztlich in beiden Häusern umgesetzt wurde.5
Wenn heute von Politikern, Wirtschaftstreibenden und Universitäten mit dem Argu-
ment, dies sei für das Überleben im digitalen Zeitalter notwendig und vordringlich, der
massive und ausschließliche Ausbau der technisch-naturwissenschaftlichen Bildung in
den Schulen und eben dieser Fächer in Lehre und Forschung an den Universitäten ge-
fordert wird, dann sehen wir uns in einer ähnlichen Situation wie seinerzeit Eitelberger
im Trubel der zweiten industriellen Revolution. Auch heute gilt es – im Angesicht von
sich gegenseitig aufschaukelnden Stürmen, gespeist von Nationalismus und dramati-
schen technologischen Umwälzungen –, den Blick auf das Ganze zu bewahren. Und das
Ganze der Welt, die positive Entwicklung unserer komplexen Gesellschaften, all das
ist nur mehr mit holistischen Ansätzen unter wesentlicher Einbindung von Kunst und
Kultur zu bewältigen. Denn der Prozess der Zivilisation war und ist mindestens so sehr
ein kultureller, wie ein technologiegetriebener Prozess. Wir brauchen auch heute mehr
denn je »Propagandisten« für die Kraft von Kunst und Kultur.
Gerald Bast
Rektor der Universität für angewandte Kunst Wien
3 R. Eitelberger von Edelberg, Der deutsch-französische Krieg und sein Einfluss auf die
Kunst-Industrie Österreichs (Vortrag, gehalten im Oesterreichischen Museum am 27. October
1870), in : Ders., Gesammelte kunsthistorische Schriften, II (zit. Anm.
2), S.
316–343, hier S.
338.
4 Eitelberger, Die Kunstbestrebungen Oesterreichs (zit. Anm.
2), S.
178.
5 W. Exner, Erlebnisse, Wien 1929, S.
46.
Open Access © 2019 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN
Rudolf Eitelberger von Edelberg
Netzwerker der Kunstwelt
- Titel
- Rudolf Eitelberger von Edelberg
- Untertitel
- Netzwerker der Kunstwelt
- Autoren
- Julia Rüdiger
- Eva Kernbauer
- Kathrin Pokorny-Nagel
- Raphael Rosenberg
- Patrick Werkner
- Tanja Jenni
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20925-6
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 562
- Kategorie
- Biographien