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Der Kunsthistoriker Rudolf von Eitelberger und die Autonomieästhetik seiner Zeit 39
Auch kann nicht die kontinuierliche Lehrtätigkeit,25 die er bereits seit 1839 ausgeübt
hatte, als Grund für seine beachtliche berufliche Karriere angesehen werden. Vielmehr
profitierte er von der grundsätzlichen institutionellen Neuausrichtung des Faches
Kunstgeschichte, die Unterrichtsminister Leo Graf Thun mit der Ernennung Eitelber-
gers zum Professor am 9. November 1852 durchzusetzen vermochte.26 In diesem Zu-
sammenhang ging es vor allem um die Autonomiewerdung des Faches Kunstgeschichte,
die zuvor zusammen mit schöner Literatur und Musik im Rahmen einer allgemeinen
Aes thetik behandelt worden war, in Richtung einer eigenen »Schönheitslehre«27. Dieser
Autonomisierung des Faches entsprach das von Thun – sicher auf Anraten Eitelber-
gers – in seinem Vortrag vom 14. Oktober 1852 formulierte Postulat, »das Studium
der Aesthetik auf neue Grundlage zu stellen, nämlich die Regeln der Theorie aus einer
eindringlichen Betrachtung der Denkmale der Kunst selbst zu entwickeln, und nicht
wie bisher eine auf abstraktem Wege gewonnene Theorie zur Würdigung der Kunst-
denkmale anzuwenden«.28 Bei genauer Betrachtung dieser entscheidenden und in der
Sekundärliteratur häufig zitierten Formulierung Minister Thuns, der Eitelberger per-
sönlich sehr gewogen war,29 wird auch deutlich, dass sie keinen expliziten Theorieansatz
formuliert, sondern vielmehr als Anstoß zur Entwicklung einer Methodik gedacht war,
deren konkrete Ausformulierung wohl Eitelbergers Wirken überlassen bleiben sollte.
Die institutionelle Autonomie der Wiener Kunstgeschichte wurde somit von einem mi-
nisteriellen Handlungsauftrag begleitet, der aber im Vergleich zu Hanslicks Schrift des
Jahres 1854 von kunstgeschichtlicher Seite niemals in ähnlich konziser Form umgesetzt
wurde, auch wenn Eitelberger später in einer Notiz an Thun vom 22. März 1855 den
Einfluss, den die »positiven Wissenschaften und die Exakten auf sie [scil. die Philoso-
phie] ausüben«30, hervorhob. Eitelbergers Realisierung des von ihm geschickt positi-
Anm. 15), S. 60, S. 62 (zu Eitelbergers politischen Anschauungen) ; Rampley, Vienna School (zit.
Anm.
3), S.
144.
25 Borodajkewycz, Frühzeit der Wiener Schule (zit. Anm.
5), S.
322 f.
26 Vgl. ebenda, S. 321 ; Seiler, Motive (zit. Anm. 20), S. 53 ; Dobslaw, Quellenschriften (zit.
Anm.
15), S.
30 f.
27 Dobslaw, Quellenschriften (zit. Anm.
15), S.
30.
28 Zitiert nach : Borodajkewycz, Frühzeit der Wiener Schule (zit. Anm.
5), S.
322 ; Seiler, Motive
(zit. Anm. 20), S. 54 ; Vasold, Riegl (zit. Anm. 3), S. 87 ; C. Landerer, Ästhetik von oben ? Äs-
thetik von unten ? Objektivität und »naturwissenschaftliche« Methode in Eduard Hanslicks Musik-
ästhetik, in : Archiv für Musikwissenschaft, 61, 2004, H.
1, S.
38–53, hier S.
46 ; Dobslaw, Quellen-
schriften (zit. Anm. 15), S. 31 ; J. Feichtinger, Wissenschaft als reflexives Projekt : von Bolzano
über Freud zu Kelsen. Österreichische Wissenschaftsgeschichte 1848–1938, Bielefeld 2010, S.
144.
29 Rampley, Vienna School (zit. Anm.
3), S.
15, S.
17.
30 Zitiert nach : Landerer, Ästhetik (zit. Anm. 28), S. 47. Keine Anhaltspunkte gibt es allerdings,
Eitelberger als »devotee of the materialist theories of the German architect Gottfried Semper«
Rudolf Eitelberger von Edelberg
Netzwerker der Kunstwelt
- Titel
- Rudolf Eitelberger von Edelberg
- Untertitel
- Netzwerker der Kunstwelt
- Autoren
- Julia Rüdiger
- Eva Kernbauer
- Kathrin Pokorny-Nagel
- Raphael Rosenberg
- Patrick Werkner
- Tanja Jenni
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20925-6
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 562
- Kategorie
- Biographien