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»Die grosse Einheit der Kunst« 71
nige Monate später : »Jetzt sind wir eine Nation geworden, oder vielmehr wir haben
den Muth zu sagen : daß wir eine werden wollten – denn noch sind wir keine.«6 Da-
mit die Kunst ihrer öffentlichen Funktion als »ästhetisches Erziehungsmittel« der sich
neu konstituierenden Nation auch gerecht wird, bedarf ihre staatliche Organisation und
Förderung grundlegender Reformen. Dies ist auch der Grund, warum Eitelberger im
Rahmen seiner Vorlesungen erläutert, wie die Künste mittels staatlicher und bürger-
lich-privater Einrichtungen in der Vergangenheit dieser ethischen Rolle gerecht werden
konnten : Vom Zunftwesen bis hin zu den Kunstakademien, von der Nationalökono-
mie bis hin zur Hauswirtschaft, von der höfischen bis zur bürgerlichen Kunstauffassung
skizziert er eine Art historische Kunstsoziologie, die letztendlich von Desideraten der
politischen Aktualität geleitet ist, nämlich der (rhetorischen) Frage : »Hat der Staat die
K[un]st zu fördern ?«7 In Journalartikeln formuliert er ganz konkrete kunstpolitische
Forderungen an den Staat, die Zivilgesellschaft und die kirchlichen Institutionen. Das
sind zunächst einmal die Abschaffung des in seiner jetzigen Funktion als »ästhetische
Censur-Behörde« wirkenden Hofbaurats unter Paul Sprenger,8 die Reform der wenig
praxisorientierten Künstlerbildung an den Akademien,9 der kirchlichen und der priva-
ten Kunstförderung durch Kunstvereine.10 Mit diesen kunstpolitischen Reflexionen be-
findet sich Eitelberger übrigens in der guten Gesellschaft von Schriftstellern wie Franz
dachten Kolleg über Ästhetik zu veranstalten. Vgl. dazu N. Itsuo, Kritik der Leidenschaft. Adalbert
Stifters ästhetische Theorie und seine Poetik, in : Aesthetics, 15, 2011, S.
50–60.
6 R. Eitelberger von Edelberg, Was hat die Kunst von den Bewegungen der Gegenwart zu hof-
fen oder zu fürchten ? Vorlesung, gehalten bei Eröffnung des Sommer-Curses an der Wiener Hoch-
schule, in : Wiener Zeitung, Nr. 105, 14.04.1848, S. 497 f. und Nr. 106, 15.04.1848, S. 501 f., hier
S.
497.
7 R. Eitelberger von Edelberg, Programm der Vorlesungen »über Theorie der bildenden Künste«,
Bl. 4 v., Bl. K. Eine Transkription des Manuskripts (Wienbibliothek im Rathaus – im Folgenden
kurz »WBR« genannt – H.I.N. 23.441) findet sich im Anhang dieses Beitrags. In den im Aufsatz
zitierten Manuskriptpassagen wurden die Abkürzungen zu einem besseren Verständnis der Quelle
in eckigen Klammern aufgelöst.
8 R. Eitelberger von Edelberg, Die Reform des Hofbaurathes, in : Wiener Zeitung, Nr. 117,
27.04.1848, S. 559 f. Zur Rolle des Hofbaurates und den zahlreichen Intrigen Eitelbergers gegen
Sprenger, vgl. Springer, Wiener Ringstraße (zit. Anm.
4), S.
21–23, S.
25, S.
27–32.
9 R. Eitelberger von Edelberg, Die Reform des Kunstunterrichtes und Professor Waldmüller’s
Lehrmethode, Wien 1848. Zur Reform der Kunstakademie mit besonderer Rücksicht auf Eitel-
berger, vgl. Springer, Wiener Ringstraße (zit. Anm.
4), S.
32–35 ; W. Wagner, Die Geschichte der
Akademie der bildenden Künste in Wien, Wien 1967, S.
148–161.
10 Eitelberger, Was hat die Kunst von den Bewegungen der Gegenwart zu hoffen oder zu fürchten ?
(zit. Anm.
6), S.
501 f. Dass Eitelberger keineswegs der einzige Schriftsteller war, der dem Problem
des Kunstgewerbes besondere Aufmerksamkeit widmete, erläutert Springer, Wiener Ringstraße
(zit. Anm.
4), S.
18–20.
Rudolf Eitelberger von Edelberg
Netzwerker der Kunstwelt
- Titel
- Rudolf Eitelberger von Edelberg
- Untertitel
- Netzwerker der Kunstwelt
- Autoren
- Julia Rüdiger
- Eva Kernbauer
- Kathrin Pokorny-Nagel
- Raphael Rosenberg
- Patrick Werkner
- Tanja Jenni
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20925-6
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 562
- Kategorie
- Biographien