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78 Alexander Auf der Heyde
Der hier geäußerte Anspruch, die Antike (und somit die Kunst) nicht mehr als mono-
lithisches Gebilde, sondern als historisch differenziertes Phänomen auf den Grund zu
gehen, sie gleichfalls aber mit Hilfe einer theoretischen Mindestausstattung wissen-
schaftlich zu erfassen, findet seinen Niederschlag in Karl Otfried Müllers Handbuch der
Archäologie der Kunst (1830), das Eitelberger gerne in seinen Vorlesungen zitiert.29 Sehr
viel häufiger sind übrigens die Verweise auf Otfrieds Bruder, den Altphilologen Eduard
Müller, dessen Geschichte der Theorie der Kunst bei den Alten (1834–1837) alternativ dazu
den historischen Wandel der Kunstauffassung anhand der schriftlichen Quellen unter-
sucht.30
Wie bereits angedeutet geht es in den ersten vier Paragraphen des Vorlesungsma-
nuskripts um den Ursprung der Kunst und ihre Fähigkeit, »vermöge ihres Zusammen-
hangs und theils dieser Identität mit den höchsten Ideen« harmonisch und besänftigend
auf die Zeit und den Menschen zu wirken.31 Der Zweck der Kunst besteht, so Eitelber-
ger, keinesfalls im »abstrakten fernesein« von allen praktischen Lebensaspekten oder gar
im individuellen Vergnügen der Anschauung, sondern sie soll aufgrund ihres historisch
gewachsenen Verhältnisses zum Handwerk eng mit dem Leben verbunden sein.32 An
dieser Stelle versucht Eitelberger den Ursprung der Trennung und der bis in die Gegen-
wart reichenden »absoluten Geschiedenheit« von Kunst und Handwerk quellenkritisch
zu klären (Eduard Müllers Geschichte der Theorie der Kunst bei den Alten wird in diesem
Zusammenhang mehrfach genannt), um dann im folgenden Paragraphen eine Brücke
zur aktuellen Zeitfrage zu schlagen : »Darf die Kunst diesen Boden [des Handwerks]
verlassen ? Auf welche Weise ist die Harmonie zwischen beiden dort herzustellen wo sie
sich geschieden und getrennt haben ? Durch Maschinen und Fabriksschule ?«33
Im Gegensatz zu seinem Lehrer Ficker, der das Handwerk als Fleißarbeit und äußer-
lich bedingte Erwerbsquelle, welche sich »den Forderungen des täglichen Lebens« fügt,
ganz klar von der Kunst als »freies Spiel der Phantasie« abgrenzt, macht Eitelberger die
29 K.
O. Müller, Handbuch der Archäologie der Kunst, Breslau 1830. Zur wissenschaftshistorischen
und kunsttheoretischen Relevanz von Müllers Handbuch, vgl. S. Settis, Dal sistema all’autopsia :
l’archeologia di C.
O. Müller, in : Annali della Scuola Normale Superiore di Pisa
– Classe di Lettere
e Filosofia, XIV, 1984, S. 1069–1096 ; U. Franke/W. Fuchs, Kunstphilosophie und Kunstarchäo-
logie : zur kunsttheoretischen Einleitung des Handbuches der Archäologie der Kunst von Karl Ot-
fried Müller, in : Boreas, 7, 1984, S. 269–294 ; H. Locher, Kunstgeschichte als historische Theorie
der Kunst, 1750–1950, München 2001, S.
243 f.
30 E. Müller, Geschichte der Theorie der Kunst bei den Alten, 2
Bde., Breslau 1834–1837, II (1837),
S.
VI (vorhanden in der Bibliothek Eitelbergers).
31 Eitelberger, Programm der Vorlesungen »über Theorie der bildenden Künste« (zit. im Anhang,
S.
96), Bl.
1r.
32 Ebenda.
33 Ebenda (zit. im Anhang, S.
97), Bl.
1v.
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Rudolf Eitelberger von Edelberg
Netzwerker der Kunstwelt
- Titel
- Rudolf Eitelberger von Edelberg
- Untertitel
- Netzwerker der Kunstwelt
- Autoren
- Julia Rüdiger
- Eva Kernbauer
- Kathrin Pokorny-Nagel
- Raphael Rosenberg
- Patrick Werkner
- Tanja Jenni
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20925-6
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 562
- Kategorie
- Biographien