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»Die grosse Einheit der Kunst« 79
Versöhnung von Kunst und Handwerk zu einer prioritären Frage.34 Interessant dabei
ist, dass er fernab von romantischen Verklärungen des mittelalterlichen Steinmetzen-
und Zunftwesens in dem Thema einen wichtigen kunstpolitischen, ja nationalökonomi-
schen Aspekt sieht. Ein Vorläufer in diesem Sinne ist Kugler, der bereits im Schlusswort
seines Handbuchs der Geschichte der Malerei in Deutschland, den Niederlanden, Spanien,
Frankreich und England (1837) die gegenwärtige Trennung von Kunst und Handwerk
als Fehlentwicklung ansieht und deren Ursprung in der Verbreitung einer idealistischen
Kunstauffassung ausmacht :
Es trat eine unnatürliche Feindschaft zwischen Leben und Kunst ein ; wie die Künstler sich
mit Vorliebe in den Träumen einer idealen Welt wiegten und mit Verachtung auf den Staub
des irdischen Daseins herabsahen, so spottete die reale Welt ihrer funkelnden Luftschlösser
und verweigerte ihnen die gebührende Opferspende.35
In seinem Artikel Ueber den Pauperismus auch in der Kunst (1845) weist Kugler auf das
Überangebot an Kunstprodukten und das erstarkende Heer erwerbsloser Künstler hin,
fordert diese auf, sich dem Handwerk zuzuwenden und dieses künstlerisch zu nobilitie-
ren :
Mir scheint es ein segensreicheres Thun, wenn Ihr […] den Dingen, die unser alltägliches
Leben umgeben, denjenigen Adel der Form gebt, der unsern Sinn und unser Gefühl unbewußt,
aber auch ununterbrochen in einer gehobenen Stimmung erhält. Es ist hier dieselbe Wirkung,
wie die des wahren hohen Kunstwerkes, nur nicht wie bei diesem laut und von oben herab,
sondern leise und von unten herauf.36
Derlei Gedanken prägen auch seinen Entwurf eines neuen Reglements für die König-
liche Akademie der Künste Berlin vom Juli 1844, in dem er vorschlägt, die »allgemeine
34 Ficker, Aesthetik oder Lehre vom Schönen (zit. Anm.
19), S.
109 f.
35 F. Kugler, Handbuch der Geschichte der Malerei in Deutschland, den Niederlanden, Spanien,
Frankreich und England, Berlin 1837, S. 326. Dazu (und ganz allgemein zu Kuglers Reformvor-
schlägen), vgl. L. Koschnick, Franz Kugler (1808–1858) als Kunstkritiker und Kulturpolitiker, phil.
Diss. Freie Universität Berlin 1985, S. 209–212 ; L. Koschnick, Kugler als Chronist der Kunst
und preußischer Kulturpolitiker, in : Franz Theodor Kugler : deutscher Kunsthistoriker und Berliner
Dichter (hg. von M. Espagne/B. Savoy/C. Trautmann-Waller), Berlin 2010, S.
1–14 ; K. Heck,
Die Bezüglichkeit der Kunst zum Leben : Franz Kugler und das erste akademische Lehrprogramm
der Kunstgeschichte, in : Marburger Jahrbuch für Kunstwissenschaft, 32, 2005, S.
7–15.
36 F. Kugler, Ueber den Pauperismus auch in der Kunst, in : Kunstblatt, 26, 1845, Nr. 71, 04.09.,
S.
297–299 ; Nr.
72, 09.09., S.
303 f., hier S.
299.
Rudolf Eitelberger von Edelberg
Netzwerker der Kunstwelt
- Titel
- Rudolf Eitelberger von Edelberg
- Untertitel
- Netzwerker der Kunstwelt
- Autoren
- Julia Rüdiger
- Eva Kernbauer
- Kathrin Pokorny-Nagel
- Raphael Rosenberg
- Patrick Werkner
- Tanja Jenni
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20925-6
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 562
- Kategorie
- Biographien