Seite - 82 - in Rudolf Eitelberger von Edelberg - Netzwerker der Kunstwelt
Bild der Seite - 82 -
Text der Seite - 82 -
82 Alexander Auf der Heyde
salen Idealbegriff zu eigen macht : Das eigentlich nationale Element der Kunst liest sich
somit als Reaktion auf den Begriff des Idealschönen, welches aus seiner überzeitlichen
Bestimmung gelöst und auf eine von Land zu Land variierende »Volksanschauung« zu-
rückgeführt wird. Dann erst können intellektuelle Barrieren niedergerissen und einer
Würdigung der ›relativen‹ Schönheit deutscher, flämischer oder niederländischer Kunst
der Weg geebnet werden, denn
– so Eitelberger
– »[e]s giebt kein Ideal, das nicht durch
und durch nationell wäre ; es wäre dann fahl, und leer, ohne allen positiven fond«47. Wie
stark dieser Gedanke noch von Goethes Kunstanschauung geprägt ist, zeigt der Hin-
weis auf eine »[h]errliche Bemerkung« aus der Italienischen Reise, die Rumohr in den
Italienischen Forschungen erwähnt und in der dieses Prinzip einer regional variierenden
Naturanschauung treffend charakterisiert wird.48
Die Italienischen Forschungen und Müllers Handbuch der Archäologie der Kunst sind
somit die maßgeblichen Quellen, mittels derer sich Eitelberger im Rahmen der Vor-
lesungen als heterodoxen Ästhetiker darstellt und sich von der »moderne[n] Lehre vom
Ideal und vom Styl« klar abgrenzt.49 Ausführlich schildert er die im Schorn-Rumohr-
Streit (1820–1825) mündende Stildebatte der Goethezeit, um letztendlich seinen eige-
47 Eitelberger, Programm der Vorlesungen »über Theorie der bildenden Künste« (zit. im Anhang,
S.
102), Bl.
2v.
48 Ebenda. »Es ist offenbar, daß sich das Auge nach den Gegenständen bildet, die es von Jugend auf
erblickt, und so muß der venezianische Maler alles klarer und heiterer sehn als andere Menschen.
Wir, die wir auf einem schmutzkotigen, bald staubigen, farblosen, die Widerscheine verdüsternden
Boden und vielleicht gar in engen Gemächern leben, können einen solchen Frohblick aus uns selbst
nicht entwickeln. Als ich bei hohem Sonnenschein durch die Lagunen fuhr, und auf den Gon-
delrändern die Gondoliere leichtschwebend, bunt bekleidet, rudernd betrachtete, wie sie auf der
hellgrünen Fläche sich in die blaue Luft zeichneten, so sah ich das beste, frischeste Bild der vene-
tianischen Schule. Der Sonnenschein hob die Localfarben blendend hervor, und die Schattenseiten
waren so licht, dass sie verhältnißmäßig wieder zu Lichtern hätten dienen können. Ein Gleiches galt
von den Widerscheinen des meergrünen Wassers. Alles war hell in hell gemalt, so daß die schäu-
mende Welle und die Blitzlichter darauf nöthig waren, um die Tüpfchen aufs i zu setzen. – Tizian
und Paul hatten diese Klarheit im höchsten Grade, und wo man sie in ihren Werken nicht findet,
hat das Bild verloren, oder ist aufgemalt.« J. W. Goethe, Aus meinem Leben. – Dichtung und
Wahrheit, Wien 1817, IV, S. 132 f. Rumohr, Italienische Forschungen (zit. Anm. 23), I, S. 77–79.
Ludwig Schorn hat eben diese Goethepassage an prominenter Stelle im Kunstblatt als eine Art
kunstkritisches Credo separat veröffentlicht. [L. Schorn], Das Auge, in : Kunstblatt, 1, 1820, Nr.
38,
11.05., S.
149.
49 Eitelberger, Programm der Vorlesungen »über Theorie der bildenden Künste« (zit. im An-
hang, S. 102), Bl. 2v. Zu Rumohrs Kunsttheorie und deren kontroverser Rezeption, vgl. P. Mül-
ler-Tamm, Rumohrs »Haushalt der Kunst« : zu einem kunsttheoretischen Werk der Goethe-Zeit,
Hildesheim/Zürich/New York 1991, S. 43–50 ; J. Schönwälder, Ideal und Charakter : Untersu-
chungen zu Kunsttheorie und Kunstwissenschaft um 1800, München 1995, S.
108 f.
Open Access © 2019 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN
Rudolf Eitelberger von Edelberg
Netzwerker der Kunstwelt
- Titel
- Rudolf Eitelberger von Edelberg
- Untertitel
- Netzwerker der Kunstwelt
- Autoren
- Julia Rüdiger
- Eva Kernbauer
- Kathrin Pokorny-Nagel
- Raphael Rosenberg
- Patrick Werkner
- Tanja Jenni
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20925-6
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 562
- Kategorie
- Biographien