Seite - 87 - in Rudolf Eitelberger von Edelberg - Netzwerker der Kunstwelt
Bild der Seite - 87 -
Text der Seite - 87 -
»Die grosse Einheit der Kunst« 87
Eitelberger scheint sich dessen durchaus bewusst zu sein, schließlich geht er auf diese
spezielle Problematik in seiner Besprechung von August Reichenspergers Die christlich-
germanische Baukunst und ihr Verhältnis zur Gegenwart (1845) ein. Darin heißt es :
Wenn Hr.
R. nun im Verlaufe der Abhandlung weiter die Gründe untersucht, welche den Ver-
fall der Baukunst herbeiführen, wenn er auf die unpraktischen Schulen, auf den Mangel künst-
lerischer Konzepzion, auf das Nichtbeachten der Eigenthümlichkeiten des Stoffes, auf die
falsche Nachahmung der Antike, den Verfall der Genossenschaften und Bauschulen, kurz, auf
die blos verstandesmäßigen, kalt nazionalistischen Richtungen hinweiset, die das Leben ver-
flachen, das Handwerk untergraben, wenn er in dem papierenen Zeitalter auf den Druk hin-
deutet, dem das poetisch bildende Element durch die Ueberwucherung des gelehrten Krames,
des gelernten Wissens, der äußerlichen Fertigkeit über das praktische Können, die manuelle
Fertigkeit unterliegt, so wird dem Verf. Jedermann Recht geben müssen.65
Rumohrs Vorschlag, den Stil materialästhetisch »als ein zur Gewohnheit gediehenes
sich Fügen in die inneren Fo[r]derungen des Stoffes« zu definieren, ist zum Zeitpunkt
der ersten Veröffentlichung im Kunstblatt zum Scheitern verurteilt, nicht zuletzt, weil
er in totalem Kontrast zum gängigen Künstlerbild steht :66 Vor diesem Hintergrund ist
es bemerkenswert, dass Eitelberger (und natürlich Böhm) die seit Rumohr und Müller
schwelende, von der Architekturtheorie aber intensiv diskutierte Materialfrage aufge-
card von Sicardsburg in einem Nekrolog : R. Eitelberger von Edelberg, Eduard van der Nüll
und August von Siccardsburg, in : Zeitschrift für bildende Kunst, IV, 1869, S.
177–187, S.
214–218,
S.
244–249. Zur Bedeutung van der Nülls für den Wiener Architekturdiskurs der Jahre 1840–1860
vgl. R. Franz, Zur Ornamentik Hansens im Vergleich zu den Konzepten von Gottfried Semper
und Eduard van der Nüll, in : Theophil Hansen : ein Resümee (hg. von B. Bastl/U. Hirhager/E.
Schober), Weitra 2014, S. 109–118 ; zur Debatte Struktur-Ornament vgl. A. M. Stancovich,
Structure/Ornament and the Modern Figuration of Architecture, in : The Art Bulletin, LXXX, 1998,
S.
687–717.
65 R. Eitelberger von Edelberg, A. Reichensperger über moderne Baukunst, in : Kunstblatt. Bei-
lage zu den Sonntagsblättern, IX./Nr. 18, 03.05.1846, S. 428–431, hier S. 429. Während Reichen-
sperger zum Fürsprecher einer Art Revivals der mittelalterlichen Bauhütten wird, bemerkt Eitel-
berger dazu eher kritisch, dass dies nutzlos sei, »da die mittelalterliche Bauhütte ihrem wahren Sein
und Geiste nach nur mit dem mittelalterlichen Leben möglich war, und es Niemandem einfallen
wird, dieses zu rekonstruieren«. Ähnlich distanziert reagiert er auf Reichenspergers allzu schemati-
sierende Gegenüberstellung von christlicher und heidnischer Kunst.
66 C. F. von Rumohr, Mittheilungen über Kunstgegenstände, in : Kunstblatt, 1, 1820, Nr. 54, 06.07.,
S. 213–216 (mit dem Kommentar Schorns auf S. 215). In diesem Zusammenhang sei auf Künstler
wie Cornelius oder Thorvaldsen hingewiesen, deren eigentliche Leistung im Erfinden eines Bild-
gedankens liegt, während die Ausführung der monumentalen Wandmalereien bzw. Marmorarbeiten
Schülern und Mitarbeitern überlassen bleibt.
Rudolf Eitelberger von Edelberg
Netzwerker der Kunstwelt
- Titel
- Rudolf Eitelberger von Edelberg
- Untertitel
- Netzwerker der Kunstwelt
- Autoren
- Julia Rüdiger
- Eva Kernbauer
- Kathrin Pokorny-Nagel
- Raphael Rosenberg
- Patrick Werkner
- Tanja Jenni
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20925-6
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 562
- Kategorie
- Biographien