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»Die grosse Einheit der Kunst« 89
Josef Cesar und Francesco Broggi führt er in erster Linie auf Joseph Daniel Böhms er-
folgreiche Lehrmethode zurück, die
– seiner Ansicht nach
– dem industriellen Zeitgeist
trotzt und mit der Gravur von Prägestempeln eine materialgerechte, seit Jahrhunderten
bewährte Technik erfolgreich fortführt. Böhms Schüler, so Eitelberger, lernen, in die
Tiefe zu modellieren, sie geben der Prägung einen individuellen Charakter und erzielen
eine ähnlich plastische Wirkung wie Bildhauer. Dass Eitelberger in seiner Schilderung
diese Arbeitsweise als ›ästhetische Praxis‹ von der »Aeußerlichkeit« anderer Methoden
polemisch abzugrenzen sucht, nehmen andere, ausgesprochen profilierte Kenner der
Wiener Medailleurskunst mit Befremden zur Kenntnis.70 So stellt der Kunsthistoriker
Eduard Melly in einem Offenen Sendschreiben in Kunstangelegenheiten. An Herrn Eitel-
berger von Edelberg klar, dass »die Technik […] die beste [sei], durch welche die Idee
des Künstlers am Deutlichsten und Eingreifendsten in die Erscheinung tritt« : Er for-
dert Eitelberger auf, dem interessierten Publikum »das Verständniß dieser innerlichen
Kunst-Technik« baldigst zu vermitteln, handele es sich doch um eine Wortschöpfung,
die in der numismatischen Fachliteratur keinerlei Erwähnung finde.71
Was folgt, ist ein (dem neutralen Leser) abstrus erscheinender Disput über den Wert
und Unwert von Präg- und Gussmedaillen.72 Eitelberger tritt in diesem Rahmen als
Sprachrohr seines Lehrers Böhm auf, wenn er in seiner Entgegnung auf Mellys Send-
schreiben behauptet, dass im Gegensatz zu Prägmedaillen, die seit Jahrhunderten direkt
in den Stempel geschnitten werden, die in Wachs modellierten Gussmedaillen eigent-
lich keine genuinen Medaillen seien, tritt doch ihr Metallcharakter erst in der Phase
der Kaltbearbeitung heraus. Doch abgesehen von den hier zum Ausdruck kommenden
persönlichen Animositäten birgt der Streit mit Melly ein nicht zu unterschätzendes
kunsttheoretisches Problem, denn Eitelberger kritisiert den seit dem späten 18. Jahr-
hundert gern zitierten Topos vom Raphael ohne Hände, indem er den Begriff der Kunst
durch das Studium der Quellen (insbesondere Plinius’ Naturgeschichte) auf die bei den
Griechen verbreitete Identität von Kunst, Handwerk und Wissenschaft zurückführt :73
»[E]s ist ein weit verbreiteter Irrthum abstracter ästhetischer Theorien, die Technik und
Kunst gerne trennen mögen. Das griechische Wort Techne zeigt deutlich die Identität
beider an, ebenso das deutsche Wort Kunst von Können, Technisches und Künstleri-
70 R. Eitelberger von Edelberg, Die Rubens-Medaille des Karl Radnitzky, in : Kunstblatt. Beilage
zu den Sonntagsblättern, III./Nr. 45, 10.11.1844, S.
1065–1067, hier S.
1066.
71 E. Melly, Offenes Sendschreiben in Kunstangelegenheiten. An Herrn Eitelberger von Edelberg,
in : Sonntagsblätter, IV, 1845, Nr.
3, 19.01., S.
59–62, hier S.
60.
72 Springer, Wiener Ringstraße (zit. Anm.
4), S.
15.
73 Dazu R. Löbl, Texnh-Techne : Untersuchungen zur Bedeutung dieses Worts in der Zeit von Homer
bis Aristoteles, 3
Bde., Würzburg 1997–2003.
Rudolf Eitelberger von Edelberg
Netzwerker der Kunstwelt
- Titel
- Rudolf Eitelberger von Edelberg
- Untertitel
- Netzwerker der Kunstwelt
- Autoren
- Julia Rüdiger
- Eva Kernbauer
- Kathrin Pokorny-Nagel
- Raphael Rosenberg
- Patrick Werkner
- Tanja Jenni
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20925-6
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 562
- Kategorie
- Biographien