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Wissenschaft, Industrie und Kunst 123
Parteigänger der bürgerlich-demokratischen Revolution von 1848 zu einem Anhänger
der Monarchie, der die Ansichten des Hofes als noch zu liberal kritisierte. In seiner
1848 gehaltenen Vorlesung Was hat die Kunst von den Bewegungen der Gegenwart zu
hoffen oder zu fürchten ?, deren Wortlaut am 14. April in der Wiener Zeitung abgedruckt
wurde, also unmittelbar nach dem Verfassungsversprechen Kaiser Ferdinands an die
Aufständischen, engagierte Eitelberger sich noch für eine nationale Revolution gegen
die Habsburgermonarchie und die seit 1815 von Staatskanzler Metternich betriebene
Politik der Restauration. Insofern liefert für ihn die deutsche Märzrevolution und ihr
Streben nach nationalstaatlicher Einheit das Modell auch hinsichtlich der erwarteten
Entwicklung der Kunst : »Sie [die Kunst] hat alles zu fürchten, wenn die Politik keine
deutsche wird, alles zu hoffen, wenn sie es wird. […] Nach Deutschland hin weist uns
der Zug unserer Nationalität und der Gang unserer Politik.«44 Der Nationalgedanke
ist hier noch nicht, wie in den Vorlesungsnotizen, zu einer ahistorischen Größe ver-
flüchtigt. Der deutschnationale Gedanke meint vielmehr noch die Vorbildlichkeit eines
verfassungsrechtlich geeinten bürgerlichen Staats gegen die Fürstenhäuser.
Auch die Philosophie des deutschen Idealismus ist in dieser Zeit noch Vorbild. Un-
verkennbar anschließend an Überlegungen Kants und Hegels zu einem von Freiheit
und Vernunft bestimmten Staatswesen formuliert Eitelberger in der gleichen Zeitung,
deren verantwortlicher Redakteur er mittlerweile geworden war, am 15.
Oktober 1848 :
Die Freiheit verlangt die Entnationalisierung des Staates wie die Entkirchlichung desselben.
Der Staat als solcher ist weder deutsch noch czechisch, weder ruthenisch noch wallachisch,
weder katholisch noch jüdisch – sondern als freier Staat so geordnet, daß der Czeche wie der
Deutsche, der Ruthene wie der Pole, der Christ wie der Jude in seiner Freiheit ungehindert
nebeneinander leben kann […].45
Mehr als dreißig Jahre später, 1879, im Vorwort zum ersten Band seiner kunsthistori-
schen Schriften, sieht sich Eitelberger noch genötigt, gegenüber dem Adressaten dieses
Werkes, Erzherzog Rainer, sich von solcher »Unbesonnenheit« als politischer Redakteur
zu distanzieren und hebt hervor, dass er wenig später seine kunsthistorische Vorlesungs-
tätigkeit wieder aufgenommen habe.46
44 R. Eitelberger von Edelberg, Was hat die Kunst von den Bewegungen der Gegenwart zu hof-
fen und zu fürchten ?, in : Wiener Zeitung, Nr. 105 und 106, 14. und 15.04.1848, S. 497 f. und
S.
501 f., zit. nach Borodajkewycz, Frühzeit der Wiener Schule (zit. Anm.
43), S.
324.
45 Eitelberger, Abendbeilage Nr.
183 u. 186 zur Wiener Zeitung vom 13. und 17.
Oktober 1848, zit.
nach Borodajkewycz, Frühzeit der Wiener Schule (zit. Anm.
43), S.
325.
46 Eitelberger, Vorwort (zit. Anm.
38), XI. Es lässt sich hieraus ersehen, dass die oben kommentier-
ten überlieferten Vorlesungsnotizen erst seit dem Ende des Jahres 1848 entstanden sein dürften.
Rudolf Eitelberger von Edelberg
Netzwerker der Kunstwelt
- Titel
- Rudolf Eitelberger von Edelberg
- Untertitel
- Netzwerker der Kunstwelt
- Autoren
- Julia Rüdiger
- Eva Kernbauer
- Kathrin Pokorny-Nagel
- Raphael Rosenberg
- Patrick Werkner
- Tanja Jenni
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20925-6
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 562
- Kategorie
- Biographien