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Wissenschaft, Industrie und Kunst 125
fiehlt er unter diesem Gesichtspunkt »Anhänger der Herbartschen Schule, die trotz
ihrer mehr als 30jährigen Wirksamkeit nirgends mit den bestehenden Konfessionen
oder politischen Staatsartungen in Konflikt gekommen«.51
Diese radikale Wendung seiner politischen Ansichten hat Eitelberger durch seine
Vorlesungen und die Orientierung an Rumohrs aristokratisch geprägter Kunstlehre mit
Bedacht vorbereitet. Auch durch dessen von Eitelberger zitierten Schüler Gustav Waa-
gen, der seit 1844 in Berlin die erste Professur für Kunstgeschichte innehatte, allerdings
noch unentgeltlich lehrte, hatten sich entscheidende Kräfte gegen die avancierte phi-
losophische Ästhetik des deutschen Idealismus formiert, die durch eine naturphiloso-
phisch verbrämte Reetablierung antiquarischer Methoden der Quellenkritik dafür sorg-
ten, dass der philosophische Wahrheitsbegriff aus der Kunstwissenschaft ferngehalten
wurde
– zugunsten einer positivistischen Fachwissenschaft, die sich einer an den Natur-
wissenschaften orientierten strengen Empirie verpflichtet fühlte. Gabriele Bickendorf
hat ausführlich dargelegt, dass die erst von Morelli namhaft gemachte Beziehung der
kennerschaftlichen Methode zu den Naturwissenschaften im Grunde schon in der von
Luigi Lanzi entwickelten antiquarischen Methode der Quellenkritik gegeben ist, die
historische Wahrheit im Sinne der Echtheit eines Dokuments oder Werks zu objekti-
vieren bestrebt ist.52 Der Philosoph Christoph Landerer hat darauf hingewiesen, dass
in Österreich bereits früh auch staatlicherseits Überlegungen angestellt worden sind,
geistige Strömungen zu fördern, die Historismus und Positivismus statt philosophi-
scher Erkenntniskritik propagieren. So vertritt im Rahmen einer Studienrevisionshof-
kommission schon in den späten 90er Jahren des 18. Jahrhunderts Heinrich Franz von
Rottenhan die Auffassung, dass »für die öffentliche Ruhe […] ungemein viel gewon-
nen [werde], wenn die Aufmerksamkeit der gebildeten Classen von dem Ideen-Reiche
der Metaphysik abgeleitet« und eine »Vorliebe für die physischen und mathematischen
Wissenschaften« geschaffen werden könne.53
Für die neu geschaffene Lehrkanzel für Kunstgeschichte, die Rudolf Eitelberger als
Erster einnimmt, hatte der Minister für Kultus und Unterricht, Graf Leo Thun, gleich-
sam mit ministeriellem Dekret im Jahr 1852 die wissenschaftstheoretische Ausrichtung
vorgegeben. Es hieß, das Studium der Ästhetik »auf neue Grundlagen zu stellen, näm-
51 Eitelberger, 26. November 1854, Thun-Nachlaß, zit. nach Borodajkewycz, Frühzeit der Wiener
Schule (zit. Anm. 43), S. 335. Eitelberger antwortete auf die von Minister Thun selbst ausgehende
Frage nach der Stellung und Bedeutung der Philosophie an den Universitäten.
52 G. Bickendorf, Die Tradition der Kennerschaft : Von Lanzi über Rumohr und Waagen zu Morelli,
in : Giovanni Morelli e la cultura dei conoscitori, Atti del convegno internazionale Bergamo 1987,
Bergamo 1993, S.
25–47.
53 H.
F. v. Rottenhan, zit. nach C. Landerer, Die Geburt der Wiener Schule aus dem Geist des Her-
bartianismus, in : Kunstgeschichte aktuell, 2005, H.
2, S.
8.
Rudolf Eitelberger von Edelberg
Netzwerker der Kunstwelt
- Titel
- Rudolf Eitelberger von Edelberg
- Untertitel
- Netzwerker der Kunstwelt
- Autoren
- Julia Rüdiger
- Eva Kernbauer
- Kathrin Pokorny-Nagel
- Raphael Rosenberg
- Patrick Werkner
- Tanja Jenni
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20925-6
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 562
- Kategorie
- Biographien