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128 Regine Prange unter Mitwirkung von Gerd Prange
mit ihnen Fabriken gründet und eine Massenproduction hervorruft, dadurch den bürgerli-
chen Gewerbestand bedroht und das künstlerische Element im bürgerlichen Handwerk ab-
schwächt.58
Die frühere Reverenz an Aristoteles’ Ausgrenzung der banausischen Lohnarbeiter aus
den bürgerlich freien Künsten erweist in dieser Polemik vollends ihr ideologisches Ziel
einer Begründung ästhetischer Autonomie jenseits historischer Wirklichkeit und phi-
losophischer Rationalität.
Kant und Hegel hatten in ihren ästhetischen Theorien der Kunst Autonomie in dem
Sinne zugesprochen, dass sie in ihrer ganz besonderen, nur ihr möglichen Form in der
Lage sei, das subjektive Erkenntnisvermögen zu erweitern und zu entwickeln, indem
sie nämlich dem Selbstbewusstsein die Möglichkeit gebe, sich in einer objektivierten
Form zu gestalten. Damit war in der Kunst ein eigener Weg zu sittlicher Freiheit und
zur Wahrheit aufgewiesen worden. An Kant und vor allem Hegel wieder anknüpfend
haben materialistisch orientierte ästhetische Theorien wie die Adornos formuliert, dass
die Kunst in dieser Autonomie zugleich ihre Historizität besitze.59 Denn die autonome
Kunst erwuchs aus der geschichtlichen Emanzipation des Bürgertums und hat in die-
ser historischen Gestalt ihren gesellschaftlichen Ort. Gerade in ihrer autonomen Form
hatte sie Geschichtliches und Gesellschaftliches in sich aufgenommen und konnte da-
her auch nur in dieser Form auf Geschichte und Gesellschaft zurückwirken.
Mit der Diffamierung der Progressions- oder gar Revolutionsphilosophie Kants und
Hegels hat die junge Kunstwissenschaft den Geist aus der Kunst vertrieben. Was blieb,
war die leere Hülle bloßer Faktizität. Aber das Faktum Kunst konnte als solches in sei-
ner bloßen Gegenwärtigkeit nicht mehr, was man ja durchaus gewünscht hatte, in die
Zukunft hineinwirken ; darüber hinaus verlor es auch die Verbindung zu seiner Vergan-
genheit. Die Kunst war ihrer Universalität beraubt. Was von ihr übrig blieb, war ledig-
lich ihre sinnliche Gewissheit, Hegel zufolge die abstrakteste und ärmste Form mensch-
lichen Bewusstseins. Denn erst wenn Sinnlichkeit sich als Erfahrung sedimentiert hat
58 Ebenda.
59 »Gesellschaftlich […] ist Kunst weder nur durch den Modus ihrer Hervorbringung, in dem jeweils
die Dialektik von Produktivkräften und Produktionsverhältnissen sich konzentriert, noch durch
die gesellschaftliche Herkunft ihres Stoffgehalts. Vielmehr wird sie zum Gesellschaftlichen durch
ihre Gegenposition zur Gesellschaft, und jene Position bezieht sie zuerst als autonome. Indem sie
sich als Eigenes in sich kristallisiert, anstatt bestehenden gesellschaftlichen Normen zu willfahren
und als ›gesellschaftlich nützlich‹ sich zu qualifizieren, kritisiert sie die Gesellschaft, durch ihr blo-
ßes Dasein […].« Th. W. Adorno, Ästhetische Theorie, Gesammelte Schriften (hg. von R. Tiede-
mann), Bd.
7, 5.
Aufl., Frankfurt am Main 1990, S.
335.
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Rudolf Eitelberger von Edelberg
Netzwerker der Kunstwelt
- Titel
- Rudolf Eitelberger von Edelberg
- Untertitel
- Netzwerker der Kunstwelt
- Autoren
- Julia Rüdiger
- Eva Kernbauer
- Kathrin Pokorny-Nagel
- Raphael Rosenberg
- Patrick Werkner
- Tanja Jenni
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20925-6
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 562
- Kategorie
- Biographien