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Wissenschaft, Industrie und Kunst 129
und als solche der Reflexion zugänglich wird, gewinnt das Bewusstsein an Lebendigkeit
und Reichtum.
Eitelbergers zweifelhafter Verdienst ist die mit der Absage an die avancierte philo-
sophische Ästhetik vollzogene Entleerung des Kunstbegriffs. Man sieht bei ihm über-
deutlich, dass ihm keine anderen Kriterien mehr zur Verfügung stehen als die Genialität
des besonderen Einzelnen und dass diese nur noch fassbar wird als hochgespannte tech-
nische Perfektion und Virtuosität. Auch Eitelberger wird dennoch wie andere beklagen,
dass man etwa Bauformen und ornamentale Elemente der Renaissance durchaus an-
hand der konkreten Vorbilder geschickt nachahmen könne, aber dass mit aller Anstren-
gung der Geist der Renaissance nicht wieder in sie hineinzutreiben gelingen will.60 Er
selbst war es gewesen, der den Geist aus der Kunst hinausgetrieben hatte. Nun musste
er feststellen, dass er nicht konservierbar wie steinerne Monumente oder literarische
Dokumente war.
Entgrenzung statt Autonomie der Kunst. Auf dem Weg zur Wiener Schule
Die Entleerung des Kunstbegriffs war Voraussetzung dafür, dass er neu gefüllt werden
konnte, allerdings mit einem ganz anderen Inhalt als dem vom deutschen Idealismus
entwickelten. Dieser Weg der Wiener Kunstgeschichte sei hier kurz skizziert, um deut-
licher sichtbar werden zu lassen, wie Eitelberger darauf bereits die ersten Schritte getan
hat. Zentral ist hierbei die sich abzeichnende Distanzierung von der Renaissance und
damit von einer Epoche, die vornehmlich, durch Trennung von Kunst und Handwerk,
die Autonomie der Kunst eingeleitet hat. Nur auf ihrer Grundlage war es möglich ge-
wesen, eben jenen Kunstbegriff zu entwickeln, der den ideellen Gehalt des Werkes in
der Form einschließt, das zu erreichen, was Hegel das sinnliche Scheinen der Idee nen-
nen sollte.
Der neue, exemplarisch von Alois Riegl aus der Ornamentik entwickelte Wiener
Kunstbegriff jedoch fügte
– analog zu Sempers Stiltheorie
– Handwerk und Kunst wie-
der in eins und schuf damit eine neue Universalität, in der nicht nur primitive Faustkeile
und Strohhütten ihren gesicherten Platz finden. Viel wichtiger ist, dass diese Univer-
60 Eitelberger insistiert trotz dieser Beobachtung freilich auf der Erwartung, die österreichische Mo-
narchie könne den großen Stil wieder etablieren. Siehe z. B. R. Eitelberger von Edelberg, Die
Renaissance in Wien, in : Deutsche Bauzeitung, 6, 1872, S.
10–12, hier S.
12 : »Bei allem Aufwande
von Geist werden die modernen Renaissance-Bauten nicht jenes freudige Echo in unserer Brust
hervorrufen, als es bei den Bauten des 15. und 16. Jahrhunderts der Fall ist, so lange nicht die
Schwesterkünste Malerei und Skulptur in gleicher Höhe mit auf dem Schauplatze eintreten.«
Rudolf Eitelberger von Edelberg
Netzwerker der Kunstwelt
- Titel
- Rudolf Eitelberger von Edelberg
- Untertitel
- Netzwerker der Kunstwelt
- Autoren
- Julia Rüdiger
- Eva Kernbauer
- Kathrin Pokorny-Nagel
- Raphael Rosenberg
- Patrick Werkner
- Tanja Jenni
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20925-6
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 562
- Kategorie
- Biographien