Seite - 138 - in Rudolf Eitelberger von Edelberg - Netzwerker der Kunstwelt
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138 Georg Vasold
rens4 wird der Wiener Kunsthistoriker heute oft als Wegbereiter neuer und neuester
Forschungsagenden gesehen, und seine 1923 erschienene Schrift Die Krisis der Geistes-
wissenschaften gilt manchen sogar als »one of the fundamental methodological texts of a
world art history«5.
Die Konzentration auf Strzygowski und seinen unermüdlichen Einsatz für die An-
erkennung der Weltkunst führte allerdings dazu, dass vergleichbare Aktivitäten seiner
Wiener Generationskollegen etwas in den Hintergrund gerieten oder aber, und das ist
häufiger der Fall, bislang noch gar keine Beachtung fanden. Immerhin wurden in jüngster
Zeit zumindest vereinzelt Stimmen laut, die daran erinnerten, dass Strzygowski mit seiner
programmatischen Hinwendung zur Kunst des Ostens durchaus nicht alleine stand.6 Das
Thema war schon um 1900 präsent, dann, v. a. im Laufe des Ersten Weltkriegs, geriet es
immer deutlicher in den Fokus der Wissenschaft und wurde schließlich derart populär,
dass sich für die 1920er und frühen 1930er Jahre ein eigenständiger, auffallend breiter und
methodisch höchst differenzierter Weltkunstdiskurs konstatieren lässt.7
Vergleichsweise wenig Beachtung fand bislang indes der Umstand, dass in Wien nicht
erst in der Zwischenkriegszeit, sondern auch schon lange davor die Tendenz bestand,
sich der nichtwestlichen Kunst zuzuwenden. Im Gegensatz zu Strzygowskis Ansatz aus
den 1920er Jahren ging es damals jedoch nicht so sehr um die Wesensbestimmung der
außereuropäischen Werke, sondern eher um deren Beziehung zu Europa und somit um
das komplexe Verhältnis zwischen dem Eigenen und dem Fremden. Dass dieser Aspekt
der Wiener Kunstforschung noch nicht ausreichend zur Kenntnis genommen wurde,
muss erstaunen, denn Hinweise finden sich zuhauf. Zu verweisen wäre insbesondere auf
4 J. Rees, Vergleichende Verfahren – verfahrene Vergleiche. Kunstgeschichte als komparative Kunst-
wissenschaft
– eine Problemskizze, in : Kritische Berichte, 40, 2012, Nr.
2, S.
32–47.
5 U. Pfisterer, Origins and Principles of World Art History : 1900 (and 2000), in : World Art Stu-
dies : Exploring Concepts and Approaches (hg. von K. Zijlmans/W. van Damme), Amsterdam
2008, S.
81.
6 J. Strzygowski, Die bildende Kunst des Ostens, Leipzig 1916. Die bislang umfangreichste Dar-
stellung der Weltkunstforschung im frühen 20. Jahrhundert stammt von S. Leeb, Die Kunst der
Anderen. »Weltkunst« und die anthropologische Konfiguration der Moderne, Berlin 2015 ; siehe
auch M. Halbertsma, The many beginnings and the one end of world art history in Germany, in :
Zijlmans/van Damme (Hg.), World Art Studies (zit. Anm.
5), S.
91–105.
7 Zur Situation im Wien der Zwischenkriegszeit und insbesondere zu den Aktivitäten der Strzy-
gowski-Schule siehe J. Orell, Early East Asian Art History in Vienna and its Trajectories : Josef
Strzygowski, Karl With, Alfred Salmony, in : Journal of Art Historiography, 15, 2015 (https://arthis
toriography.files.wordpress.com/2015/11/orell.pdf [16.05.2018]), sowie G. Vasold, The Revalua-
tion of Art History. An unfinished project by Josef Strzygowski and his school, in : Art/Histories in
transcultural dynamics. Narratives, concepts, and practices at work, 20th and 21st centuries (hg. von P.
Bachmann/M. Klein/T. Mamine/G. Vasold), Paderborn 2017, S.
119–138.
Open Access © 2019 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN
Rudolf Eitelberger von Edelberg
Netzwerker der Kunstwelt
- Titel
- Rudolf Eitelberger von Edelberg
- Untertitel
- Netzwerker der Kunstwelt
- Autoren
- Julia Rüdiger
- Eva Kernbauer
- Kathrin Pokorny-Nagel
- Raphael Rosenberg
- Patrick Werkner
- Tanja Jenni
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20925-6
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 562
- Kategorie
- Biographien