Seite - 139 - in Rudolf Eitelberger von Edelberg - Netzwerker der Kunstwelt
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Pulszky, Böhm und Eitelberger 139
die Schriften der Wiener Schule der Kunstgeschichte, zu der Strzygowski nach Schlossers
Verdikt ja im Regelfall nicht gezählt wird.8 Alois Riegl etwa griff das Thema wortwört-
lich auf und sprach von einer »hellenistisch-römischen Weltkunst«, die er als Resultat
eines fortwährenden Austauschs zwischen »Orient und Occident« fasste.9 Ähnliches gilt
für Franz Wickhoff, der sich in den 1890er Jahren ebenfalls Gedanken über das Verhält-
nis von europäischer und asiatischer Kunst machte und die vielgestaltigen Möglichkeiten
des künstlerischen Transfers über die Kontinente hinweg zu beschreiben suchte.10 In
seiner Begeisterung für die Werke von Hokusai und Hiroshige, die Wickhoff die Frage
stellen ließ, wie viel »ostasiatisches Erbgut […] im sogenannten Plein-air und dem Im-
pressionismus«11 liege, entwarf er das Bild einer gleichsam mobilen Kunst, die kulturelle
Grenzen überwindet und sich den lokalen Gegebenheiten jeweils neu anpasst.
So weit wir sehen, hatte sich die Kunst, bei den Ägyptern beginnend, nach Asien verpflanzt,
von den Griechen herangezogen, in das Abendland eingeführt, auf den Norden übertragen,
regelmäßig entwickelt, indem sie durch die neuen Bedingungen der Rassen und des Klimas,
worein sie sich finden mußte, verändert und weitergebracht worden war. Bei allen Reaktionen,
die stattgefunden hatten, waren immer genug Nachwirkungen älterer Entwicklungsstufen vor-
handen gewesen, die die künstlerisch heraufgeholten älteren Formen mit üblichen verbunden
hatten […].12
Und auch der junge Julius von Schlosser beschäftigte sich wiederholt mit dem Problem
einer wandernden und sich wandelnden Kunst, wobei er die Frage stellte, wie man sich
einen solchen Prozess konkret vorzustellen habe und wo die Scharnierstellen zwischen
Ost und West liegen. Als zentralen Umschlagplatz der Kulturen machte er die Levante
aus, wo sich künstlerische Umwandlungsprozesse ergaben und es immer wieder zu einer
»Anpassung an einen neuen Gedanken« kam – Vorgänge, die Schlosser als grundlegen-
des Merkmal der Kunstgeschichte und als »typisch für die Entwicklung der Formen
überhaupt«13 erachtete.
8 J. von Schlosser, Die Wiener Schule der Kunstgeschichte. Rückblick auf ein Säkulum deutscher
Gelehrtenarbeit in Österreich, in : Mitteilungen des Österreichischen Instituts für Geschichtsfor-
schung, Ergänzungsband
13, H.
2, Innsbruck 1934, S.
195 und S.
203 f.
9 A. Riegl, Stilfragen. Grundlegungen zu einer Geschichte der Ornamentik, Berlin 1893, S.
18.
10 F. Wickhoff, Über die historische Einheitlichkeit der gesammten Kunstentwicklung, in : Festgaben
zu Ehren Max Büdingers von seinen Freunden und Schülern, Innsbruck 1898, S.
459–469.
11 F. Wickhoff, Römische Kunst (Die Wiener Genesis), Berlin 1912, S.
63.
12 Ebenda, S.
62 f.
13 J. von Schlosser, Heidnische Elemente in der christlichen Kunst des Altertums (1894), hier zit.
nach dem Wiederabdruck in : J. von Schlosser, Präludien, Berlin 1927, S. 9–43, hier S.
9.
Rudolf Eitelberger von Edelberg
Netzwerker der Kunstwelt
- Titel
- Rudolf Eitelberger von Edelberg
- Untertitel
- Netzwerker der Kunstwelt
- Autoren
- Julia Rüdiger
- Eva Kernbauer
- Kathrin Pokorny-Nagel
- Raphael Rosenberg
- Patrick Werkner
- Tanja Jenni
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20925-6
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 562
- Kategorie
- Biographien