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Pulszky, Böhm und Eitelberger 141
einerseits ein »Bollwerknarrativ«, andererseits aber auch eine »Zivilisierungserzählung«
und wurde durchgehend »identitätsstrategisch« eingesetzt, d. h. war für die kulturelle wie
politische Selbstbestimmung Österreichs von zentraler Bedeutung.18
Diese schwankende, alles andere als einheitliche Linie spiegelt sich auch in der
kunsthistorischen Literatur wider. Gerade im Umfeld von Rudolf von Eitelberger be-
stand eine merkliche Unsicherheit bezüglich des Werts der »orientalischen« Kunst.
Zwar erwarb das Österreichische Museum für Kunst und Industrie auf der Pariser Welt-
ausstellung 1867 zeitgenössische indische, japanische und nordafrikanische Textilien,
was von einer beginnenden wissenschaftlichen Anerkennung der Orientalika in Wien
zeugt,19 gleichzeitig jedoch entstanden am Museum Schriften, in denen in reichlich
ignorantem, bisweilen fast verächtlichem Ton über die Kunst Ostasiens berichtet wurde.
Bruno Bucher etwa, der langjährige Mitarbeiter Eitelbergers und nachmalige Direktor
des Museums, spottete in seinem Katechismus der Kunstgeschichte über die Kunst Chinas
und Japans. Diese sei »ohne Entwicklung« und trage »kindliche Züge«, die Chinesen
»sind […] in der hohen Kunst Anfänger geblieben«, und die japanischen Architekten
brächten nicht einmal »primitive Monumentalwerke« zuwege.20
Buchers Ansichten, die Eitelberger vielleicht nicht geteilt, wohl aber geduldet hat,
unterscheiden sich in ihrem überheblichen Eurozentrismus sehr markant von jenen, die
zu derselben Zeit in Berlin vertreten wurden. Tatsächlich lässt sich in der sogenannten
Berliner Schule schon zur Jahrhundertmitte ein ungleich größeres und weitaus seriöseres
Interesse an der nichtwestlichen Kunst beobachten. Bis heute sind die breit angeleg-
ten Versuche eines Franz Kugler oder eines Carl Schnaase, die beide bekanntlich eine
Universalgeschichte der Kunst verfassen wollten, höchst beeindruckend. Ihr Anliegen,
nichts weniger als die Kunst der ganzen Welt in den Blick zu nehmen, d. h. sie in ihrer
–
wie es Karl Rosenkranz richtig erkannte – »Totalität« zu erfassen, dürfen als frühe Ver-
suche gewertet werden, »die Kunstgeschichte durch die Einbeziehung der außereuro-
päischen Kulturen global auszulegen«.21
18 J. Feichtinger, Komplexer k. u. k. Orientalismus : Akteure, Institutionen, Diskurse im 19. und
20. Jahrhundert in Österreich, in : Orientalismen in Ostmitteleuropa. Diskurse, Akteure und Diszi-
plinen vom 19. Jahrhundert bis zum Zweiten Weltkrieg (hg. von R. Born/S. Lemmen), Bielefeld
2014, S.
31–64.
19 A. Völker, Die Sammlungspolitik der Textilsammlung des k. k. Österreichischen Museums für
Kunst und Industrie in den Jahren 1864 bis 1910, in : Kunst und Industrie. Die Anfänge des Mu-
seums für Angewandte Kunst (Ausst. Kat. MAK
– Österreichisches Museum für angewandte Kunst,
31.
Mai–3.
September 2000, hg. von P. Noever), Ostfildern-Ruit 2000, S.
114–129, hier S.
117.
20 B. Bucher, Katechismus der Kunstgeschichte, Leipzig 1880, S.
11 f.
21 H. Karge, Franz Kugler und Karl Schnaase – zwei Projekte zur Etablierung der »Allgemeinen
Kunstgeschichte«, in : Franz Theodor Kugler. Deutscher Kunsthistoriker und Berliner Dichter (hg.
Rudolf Eitelberger von Edelberg
Netzwerker der Kunstwelt
- Titel
- Rudolf Eitelberger von Edelberg
- Untertitel
- Netzwerker der Kunstwelt
- Autoren
- Julia Rüdiger
- Eva Kernbauer
- Kathrin Pokorny-Nagel
- Raphael Rosenberg
- Patrick Werkner
- Tanja Jenni
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20925-6
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 562
- Kategorie
- Biographien