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Pulszky, Böhm und Eitelberger 143
Kunsthistorisches Weltbewusstsein
Wenn vorhin behauptet wurde, dass zur Jahrhundertmitte in Berlin ungleich intensi-
ver als in Wien an dem Projekt der Weltkunstforschung, d. h. an der geographischen
Entgrenzung der Kunstgeschichte gearbeitet wurde, so bedeutet das freilich keineswegs,
dass man in Wien nicht sehr genau beobachtete, was sich in Berlin bzw. Düsseldorf
(Schnaase zog erst 1848 nach Berlin) ereignet hat. Im Juli 1845 erschien in den Ös-
terreichischen Blättern für Literatur und Kunst eine sehr ausführliche Besprechung von
Kuglers Handbuch der Kunstgeschichte sowie von den ersten drei Bänden von Schnaases
Geschichte der bildenden Künste.25 Der Wiener Rezensent lobte beide Autoren, äußerte
sich wohlwollend über den Willen, nun endlich »das große Ganze«26 in den Blick zu
nehmen, stellte jedoch die Frage, ob eine Darstellung der Kunst der gesamten Welt die
Arbeitskraft eines einzelnen Forschers oder auch von zweien nicht deutlich übersteige.
Insbesondere erschien es ihm zweifelhaft, ob man je so etwas wie Vollständigkeit erzie-
len könne, da doch das Wissen über die Welt kontinuierlich erweitert würde und täglich
neue Kunstwerke zutage träten, die jeweils gesichtet, geordnet und bewertet werden
müssten.27
Die sehr ausführliche Rezension ist in Hinblick auf Eitelbergers Werdegang in
mehrfacher Hinsicht aufschlussreich. Zum einen, weil sie von dem Philologen und Äs-
thetiker Franz Ficker stammt, bei dem Eitelberger zwei Jahre als Assistent gearbeitet
hatte, weshalb anzunehmen ist, dass dieser Fickers Texte gut kannte. Zweitens war die
Buchbesprechung deutlich mehr als nur eine journalistische Übung, denn die vorge-
brachten Einwände stammten aus berufenem Mund. Ficker hatte zu dem Zeitpunkt, als
er die Rezension verfasste, bereits selbst zwei Bücher veröffentlicht, in denen er sich ein
ganz ähnliches Ziel wie seine deutschen Kollegen gesetzt hatte. Dieses bestand darin,
eine »Lehre vom Schönen und der Kunst in ihrem Ganzen Umfange« zu verfassen und
den Blick auf die »Kunstwerke und […] Genien aller Zeiten und Völker«28 zu werfen.
Der dritte Aspekt schließlich betrifft das Umfeld von Ficker. Darüber ist nur wenig
25 F. Ficker, Komparative Würdigung der Kunstgeschichte, in : Oesterreichische Blätter für
Literatur und Kunst, Geschichte, Geografie, Statistik und Naturkunde, 2, 1845, S.
641–645, S.
650–
656 u. S.
658–662.
26 Ficker, Komparative Würdigung (zit. Anm.
25), S.
641.
27 Ähnliche Bedenken äußerte auch Anton Springer, der im Rückblick auf seine Studientage,
als er den Orient für sich entdeckte, festhielt : »Ich merkte, mit der Ausdehnung der Stoffkreise
wachse in bedenklicher Weise die Oberflächlichkeit der Behandlung«, Springer, Aus meinem Le-
ben (zit. Anm.
22), S.
38.
28 F. Ficker, Ästhetik oder Lehre vom Schönen und der Kunst in Ihrem ganzen Umfange,
Wien 1830, S.
III.
Rudolf Eitelberger von Edelberg
Netzwerker der Kunstwelt
- Titel
- Rudolf Eitelberger von Edelberg
- Untertitel
- Netzwerker der Kunstwelt
- Autoren
- Julia Rüdiger
- Eva Kernbauer
- Kathrin Pokorny-Nagel
- Raphael Rosenberg
- Patrick Werkner
- Tanja Jenni
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20925-6
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 562
- Kategorie
- Biographien