Seite - 146 - in Rudolf Eitelberger von Edelberg - Netzwerker der Kunstwelt
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146 Georg Vasold
dierten deshalb eilig »Anknüpfungspunkte eines neuen Verkehrs«35 in den Süden und
Osten.
Das also scheinen einige der zentralen Themen gewesen zu sein, über die im Böhm-
Kreis diskutiert wurde : Es galt, eine praktische Kunstgeschichte zu inaugurieren, ein
künstlerisches Weltbewusstsein zu entwickeln, und schließlich – damit zusammenhän-
gend – den Handel, den Austausch von Gewerbe- und Kunstgegenständen zu fördern.
Wie fruchtbar diese Treffen tatsächlich waren, wie nachhaltig sich hier ein Kunstver-
ständnis ausformte, das letztlich auf einen Bruch mit herkömmlichen künstlerischen,
aber auch ökonomischen Ansichten abzielte, lässt sich deutlich am Beispiel eines an-
deren Schützlings von Böhm zeigen, der in der Geschichte der frühen Weltkunstfor-
schung eine entscheidende Rolle spielte.
Kanon, Gotik, Indien : Der »Weltkunst«-Begriff wird eingeführt
Im Frühjahr 1837 erschien in Budapest in einem habsburgkritischen Verlag eine kleine
Schrift, die den etwas sperrigen Titel Aus dem Tagebuche eines in Grossbritannien reisen-
den Ungarn trug. Das Buch handelt nicht nur von den größten und bedeutendsten Städ-
ten des Königreichs – London, Manchester, Oxford, Birmingham, Edinburgh –, sondern
widmet sich auch den als landestypisch erachteten Sitten, dem politischen System, dem
Königshaus, den britischen Freizeitvergnügungen, den kulinarischen Besonderheiten und
schließlich den Kunstschätzen des Landes. So konventionell und genretypisch dieses Rei-
setagebuch also erscheinen mochte, so ungewöhnlich war es zugleich, da sein Autor nir-
gendwo genannt wurde. An keiner Stelle des Buches ist in Erfahrung zu bringen, wer den
Text verfasst hatte. Es dauerte allerdings nicht lange, ehe das Geheimnis gelüftet und der
Urheber der Schrift bekannt wurde. Es handelte sich um den aus Eperjes/Prešov/Eperies
im oberungarischen Komitat Sáros stammenden Ferenc Pulszky (Abb.
4 auf S.
369)
– also
jenen Juristen, der nicht nur eine führende Rolle in der ungarischen Revolution von 1848
spielen sollte, sondern auch enge Kontakte nach Wien unterhielt und genau wie Eitelber-
ger sowie Emerich (Imre) Henszlmann im Kreis von Joseph Daniel Böhm verkehrte.36
35 Verhandlungen des Nieder-Oesterreichischen Gewerbvereins, 1. Bd. (1840), S. 365. Zu den dies-
bezüglichen Aktivitäten Österreichs vgl. auch : Y. Köse, Westlicher Konsum am Bosporus. Waren-
häuser, Nestlé & Co. im späten Osmanischen Reich (1855–1923), München 2010, bes. S.
151 ff.
36 Zu Pulszky ausführlich : Pulszky Ferenc (1814–1897) Emlékére/Ferenc Pulszky 1814–1897 Me-
morial Exhibition (Ausst.-Kat. Budapest 1997), sowie L. Csorba, Ferenc Pulszky : ein Ungar in
der Wiener Revolution von 1848, in : Bewegung im Reich der Immobilität. Revolutionen in der
Habsburgermonarchie 1848–1849. Literarisch-publizistische Auseinandersetzungen (hg. von
H. Lengauer/P.-H. Kucher), Wien/Köln/Weimar 2001, S. 225–236. Zur Präsenz ungarischer
Open Access © 2019 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN
Rudolf Eitelberger von Edelberg
Netzwerker der Kunstwelt
- Titel
- Rudolf Eitelberger von Edelberg
- Untertitel
- Netzwerker der Kunstwelt
- Autoren
- Julia Rüdiger
- Eva Kernbauer
- Kathrin Pokorny-Nagel
- Raphael Rosenberg
- Patrick Werkner
- Tanja Jenni
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20925-6
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 562
- Kategorie
- Biographien