Seite - 147 - in Rudolf Eitelberger von Edelberg - Netzwerker der Kunstwelt
Bild der Seite - 147 -
Text der Seite - 147 -
Pulszky, Böhm und Eitelberger 147
Pulszkys überaus geistvolles und kurzweiliges Reisetagebuch, das voller politischer
Anspielungen ist und nicht an Kritik an Österreich und am Metternich’schen System
spart, verdient hier deshalb Beachtung, weil sich der Autor darin auch über die Kunst
und die Kunstgeschichte in einer sich verändernden Welt Gedanken machte ; in einer
Welt, in der der Orient mehr und mehr ins Bewusstsein der Europäer rückte und in der
alte Gewissheiten fragwürdig wurden. Dies sei deutlich sichtbar. In London, so Pulszky
tief beeindruckt, reihen sich »die Kunststyle aller Länder« nebeneinander und verwan-
deln die Stadt solcherart in ein
modernes Babylon, in dem der Fremde sich staunend verliert.
– Der arme Fremde ! er wird in
diesem England zuletzt sich selbst fremd, er muß Abschied nehmen von Vorurtheilen, die er
seit seiner Jugend für unzweifelhafte Wahrheiten hielt, er muß begreifen und […] lernen, was
ihm bis jetzt unbegreiflich und unvereinbar schien.37
Anlass für Pulszkys Neuorientierung war jedoch nicht nur die Stadt selbst, sondern
auch der Besuch des British Museum, dem er gleich zwei Kapitel in seinem Buch wid-
mete. Auf insgesamt 16 Seiten stellte er Überlegungen über die Kunst an, die im Zen-
trum des britischen Kolonialreichs gesammelt und ausgestellt wurde. Beide Kapitel
tragen dieselbe Überschrift. Sie lautet Weltkunst, und es handelt sich dabei, zumindest
nach aktuellem Wissensstand, um die früheste Verwendung dieses Begriffes in einer
deutschsprachigen Publikation überhaupt.
Gemäß seinem Charakter und analog zu seinen politischen Ansichten rief Pulszky
auch in seinem Reisetagebuch zu einer Art Revolution auf, nämlich zu einer ästheti-
schen Revolution. Pulszky, der mit seinem Onkel Gábor Fejérváry, einem der führenden
Kunstsammler seiner Zeit und engem Freund von Joseph Daniel Böhm, unterwegs war,
eröffnete das Kapitel zur Weltkunst mit einer grundlegenden Kritik an der in Europa
gängigen Ausstellungs- und Sammlungspraxis. Anstatt an der Kunst den »reellen in das
Volksleben eingreifenden Nutzen« zu erkennen, würde diese immer noch als Preziose,
Kunsthistoriker in Wien vgl. grundlegend : Die ungarische Kunstgeschichte und die Wiener Schule
1846–1930 (hg. von E. Marosi), Budapest/Wien 1983. Obwohl beide Forscher im Böhm-Kreis
verkehrten, gibt es meines Wissens bis dato keinen schriftlichen Beleg ihrer Bekanntschaft. Eitel-
berger scheint alles daran gesetzt zu haben, keinerlei Spur eines etwaigen Kontakts zu hinterlassen.
Aus gutem Grund : Pulszky galt in Österreich aufgrund seiner politischen Aktivitäten als Staats-
feind, er wurde in der gesamten Monarchie steckbrieflich gesucht, und man hat ein Kopfgeld auf
ihn ausgesetzt. Erst nach Pulszkys Begnadigung im Zuge des Ausgleichs von 1867 findet sich sein
Name in Eitelbergers Schriften.
37 [Anonym = F. Pulszky], Aus dem Tagebuche eines in Grossbritannien reisenden Ungarn, Pesth
1837, S.
4.
Rudolf Eitelberger von Edelberg
Netzwerker der Kunstwelt
- Titel
- Rudolf Eitelberger von Edelberg
- Untertitel
- Netzwerker der Kunstwelt
- Autoren
- Julia Rüdiger
- Eva Kernbauer
- Kathrin Pokorny-Nagel
- Raphael Rosenberg
- Patrick Werkner
- Tanja Jenni
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20925-6
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 562
- Kategorie
- Biographien