Seite - 148 - in Rudolf Eitelberger von Edelberg - Netzwerker der Kunstwelt
Bild der Seite - 148 -
Text der Seite - 148 -
148 Georg Vasold
als »ein Gegenstand des vornehmen Luxus« angesehen. Eine solche »einseitige Ansicht«
sei jedoch unzeitgemäß, denn sie verleite dazu, Kunst als »etwas Abgeschlossenes und
Todtes« zu betrachten. Befördert würde eine solche irrige Sichtweise, so Pulszky weiter,
durch das verhängnisvolle Festhalten am klassischen Ideal, was die Anerkennung jeder
unklassischen Kunst schlicht verhindere.
Wir haben uns aber schon gewöhnt unsere Aufmerksamkeit blos auf die vermischten Ueberreste
der griechischen und römischen Kunst zu richten, und ihre Meisterstücke für jene Canons anzu-
sehen, in denen ausschließlich die Regel der Schönheit und der Kunst aufgestellt ist, als ob die
Kultur aller übrigen Völker und des ganzen Orientes ohne alle Resultate für uns bliebe, als ob es
noch möglich wäre, daß unsere Künstler wieder Griechen und Römer werden könnten […].38
Schon dieser knappe Absatz macht deutlich, worum es ging. Pulszkys Text ist zuallererst
als Kritik am Festhalten am klassischen Ideal zu lesen ; er fordert zum Bruch mit einem
aus seiner Sicht überkommenen Kanon auf, womit er auf deutliche Distanz zu Winckel-
mann ging ; er plädiert im Gegenzug dafür, den Blick stärker auf die gegenwärtige Kunst
zu richten und eben nicht nur die Antike zu erforschen ; er kritisiert die Museumsleitung
des British Museum, weil diese die einst erworbenen Asiatika unbeachtet im Depot ver-
stauben lasse (wo, wenn nicht in London, so Pulszky mit einem Anflug von Verärgerung,
sei es möglich, »die vollständige Geschichte der Kultur und der Kunstentwicklung des
Menschengeschlechtes«39 zu präsentieren ?) ; v. a. aber stellt er die Frage, was denn all diese
asiatischen Werke für die eigene, die europäische Kunst bedeuten und in welchem Verhält-
nis diese zueinander stünden. Dabei präsentierte Pulszky Ideen, die von einer soliden his-
torischen Bildung ebenso wie von seiner Vertrautheit mit damals aktuellen Kunsttheorien
zeugen. Nicht nur, dass er z. B. auf die Bedeutung Ostasiens für die gesamte neuere hollän-
dische Kultur verweist, stellte er auch Überlegungen zur möglichen indischen Herkunft
der Gotik an und meinte, die »gothische Baukunst ist nur die edelste Nachbildung des Ba-
nianenbaumes [sic]«40. Die Vermutung, dass die Gotik eigentlich asiatischen Ursprungs sei,
wurde zu Beginn des 19.
Jahrhunderts oft geäußert. In Deutschland waren es v. a. Schelling
und die Gebrüder Schlegel, die dies glaubten, und auch in England hegte man Zweifel an
einer europäischen Herkunft des gotischen Stils. Viel eher kommen, so Christopher Wren
schon im 18.
Jahrhundert, die Sarazenen als Urheber der Gotik infrage.41
38 [Pulszky], Aus dem Tagebuche (zit. Anm.
37), S.
40.
39 Ebenda, S.
42.
40 Ebenda, S.
44.
41 Vgl. Ästhetische Subjektivität : Romantik & Moderne (hg. von L. Knatz/T. Otabe), Würzburg
2005, S.
164 ff.
Open Access © 2019 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN
Rudolf Eitelberger von Edelberg
Netzwerker der Kunstwelt
- Titel
- Rudolf Eitelberger von Edelberg
- Untertitel
- Netzwerker der Kunstwelt
- Autoren
- Julia Rüdiger
- Eva Kernbauer
- Kathrin Pokorny-Nagel
- Raphael Rosenberg
- Patrick Werkner
- Tanja Jenni
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20925-6
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 562
- Kategorie
- Biographien