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Rudolf von Eitelberger
– Architekturkritik 177
rungen gesellschaftlicher Ordnungsvorstellungen zu beschreiben – und zwar solche, die
weniger mit dem Ziel getätigt wurden, dauerhafte Gültigkeit zu erlangen, als vielmehr
im Kontext des jeweils aktuellen identitätspolitischen Diskurses situativ und auf diesen
abgestimmt erfolgten.6 Solche nach innen wie nach außen wirkenden politischen Posi-
tionierungen sind jedoch nicht der einzige Antrieb und Faktor des architekturkritischen
Schaffens Eitelbergers. Neben dem Selbstverständnis und ästhetischen Empfinden des
Autors bestimmten spezifische Geschichtsbilder und Epochenkonzepte bzw. der Wille,
diese zu vermitteln, sein Schreiben über die historisch inspirierte Architektur seiner Zeit
–
ein Phänomen, das hier als »historistischer Normativismus« bezeichnet werden soll.
Zum Stilverständnis Eitelbergers
Der erwähnte Text zur kirchlichen Architektur in Österreich von 1853 bietet auch des-
halb einen geeigneten Ausgangspunkt für die folgenden Untersuchungen, weil Eitel-
berger hier seine Auffassung von (Bau-)Kunst und ihren Aufgaben im Allgemeinen und
von Baustilen und den diese konstituierenden Faktoren im Besonderen darlegt.
Zu den konstitutiven Elementen eines Baustils zählt Eitelberger die naturräumlichen
Gegebenheiten, das zur Verfügung stehende Material und die Techniken zu seiner Be-
arbeitung sowie sonstige historische Rahmenbedingungen, daneben aber auch Sitten
und Gebräuche seiner Entstehungszeit,7 insbesondere das »religiöse Gefühl und andere
geistliche Einflüsse«8 sowie das »psychische Leben des Volkes«9, aus dem der Stil her-
vorgeht. Auf der Grundlage weiterer Schriften des Autors nennt Edwin Lachnit zudem
künstlerische Individualität als einen zusätzlichen Faktor des Eitelberger’schen Kunst-
verständnisses.10
Für Eitelberger ist ein Baustil demnach kein heuristisches Konzept, sondern ein
empirischer Befund, in dem sich je ein »bestimmte[r] Volkscharakter architektonisch
repräsentirt«11. Entsprechend könne man von der Architektur auf die »geistigen und
sittlichen Grundlagen«12 eines Volkes und dessen Entwicklungsstand schließen.
6 Vgl. M. Marek, Kunst und Identitätspolitik. Architektur und Bildkünste im Prozess der tschechi-
schen Nationsbildung, Wien/Köln/Weimar 2004, S.
10.
7 Eitelberger, Kirchliche Architektur (zit. Anm.
3), S.
11.
8 Ebenda, S.
29.
9 Ebenda, S.
11.
10 E. Lachnit, Die Wiener Schule der Kunstgeschichte und die Kunst ihrer Zeit. Zum Verhältnis von
Methode und Forschungsgegenstand am Beginn der Moderne, Wien/Köln/Weimar 2005, S.
14 f.
11 Eitelberger, Kirchliche Architektur (zit. Anm.
3), S.
11.
12 Ebenda, S.
12.
Rudolf Eitelberger von Edelberg
Netzwerker der Kunstwelt
- Titel
- Rudolf Eitelberger von Edelberg
- Untertitel
- Netzwerker der Kunstwelt
- Autoren
- Julia Rüdiger
- Eva Kernbauer
- Kathrin Pokorny-Nagel
- Raphael Rosenberg
- Patrick Werkner
- Tanja Jenni
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20925-6
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 562
- Kategorie
- Biographien