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Rudolf von Eitelberger
– Architekturkritik 193
auch gegen den Partikularismus der Nationalitäten richtete – nur insofern kann die
Rede von einem transnational aufgefassten Stil sein. In seinem Text zur Renaissance in
Wien entwarf Eitelberger
– bereits fünf Jahre vor der Münchner Ausstellung und, ohne
dass die ›deutsche Renaissance‹ dabei eine Rolle spielte – ein Pariser und ein Berliner
Gegenbild zu derselben. So hob er hervor, dass in Berlin im Gegensatz zu Wien »scha-
blonenhaft […] nach den Recepten des modernen Classicismus« gearbeitet werde, in
Paris hingegen »nach den Schablonen der französischen Renaissance früherer Jahrhun-
derte«. Letztere sei zwar »specifisch national«, jedoch »nicht frei von einem barocken
Beigeschmacke« und fördere wenig die Malerei und Skulptur. »Sie nimmt daher in der
Geschichte der europäischen Civilisation, insbesondere der italienischen Renaissance
gegenüber, eine untergeordnete Stellung ein.«80 Mit ähnlichen Argumenten hatte sich
schon der erwähnte Beitrag in der Wiener Neuen Freien Presse von 1866 gegen eine
Rezeption von Renaissancearchitektur französischer Provenienz in Wien gewandt. Hier
benannte der unbekannte Autor die Vermischung gotischer Konstruktionsprinzipien
mit Renaissancedekor als Kennzeichen dieser Epoche in Frankreich, während die italie-
nische Renaissance in einer fast ungebrochenen klassischen Tradition stehe und unmit-
telbar an der griechischen Antike geschult sei.81 Stilreinheit hatte bei Eitelberger wie
gesehen schon 1853 als ein zentrales Bewertungskriterium von Architektur gegolten.
Über die Architektur der Nachschinkelzeit in Berlin referierte er :
Der Purismus der heutigen Berliner Architektur ist schulmäßig trocken. […] Die Nüchtern-
heit, die sich über die Architektur der Kaiserstadt an der Spree ausbreitet, drückt wie ein Alp
auf die gesammte Kunst und Kunst-Industrie und contrastirt stark mit den lebendig bewegten
Formen der Renaissance-Bauten in Wien.82
Eitelbergers Schüler Albert Ilg griff diesen Topos einer Wesensverschiedenheit der Ar-
chitektur der beiden Hauptstädte83 auf und deutete sie dezidiert auch als Folge eines Ge-
80 [Eitelberger], Renaissance in Wien (zit. Anm.
4), S.
4.
81 O. A., Franzosen in der Wiener Architektur (zit. Anm. 74), S. 4.; siehe dazu : Springer, Wiener
Ringstraße (zit. Anm.
25), S.
429 f.; Rüdiger, Die monumentale Universität (zit. Anm.
73), S.
191 f.
82 [Eitelberger], Renaissance in Wien (zit. Anm.
4), S.
4.
83 Eitelberger bekräftigte seine Vorstellungen von einem »heiteren, leichtlebigen und genußsüchtigen
Wienerthum«, das sich deutlich vom Berliner »Verstandesmensch« mit seiner Neigung zu Kritik
und Negation sowie zu »altpreußischer Sparsamkeit« unterscheide, auch in anderem Zusammen-
hang (R. Eitelberger von Edelberg, Ein Ausflug nach Berlin im Frühjahr 1882, Wien 1882,
S.
18–31, abgedruckt in : Die Berliner Museumsinsel. Impressionen internationaler Besucher [1830–
1990]. Eine Anthologie [hg. von B. Savoy/P. Sissis], Wien/Köln/Weimar 2013, S. 121–125, hier
S.
121).
Rudolf Eitelberger von Edelberg
Netzwerker der Kunstwelt
- Titel
- Rudolf Eitelberger von Edelberg
- Untertitel
- Netzwerker der Kunstwelt
- Autoren
- Julia Rüdiger
- Eva Kernbauer
- Kathrin Pokorny-Nagel
- Raphael Rosenberg
- Patrick Werkner
- Tanja Jenni
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20925-6
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 562
- Kategorie
- Biographien