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Rudolf von Eitelberger
– Architekturkritik 199
einer Verherrlichung des Deutschtums im Kontext der deutschen Reichsgründung in
Verbindung gebracht.103 Lübke, der sich den Seitenhieb auf den ihm seit einem Vier-
teljahrhundert persönlich bekannten Eitelberger,104 dieser sei »wie die meisten seiner
schriftstellernden Landsleute, nicht einmal frei von Austriacismen«, nicht hatte ver-
kneifen können,105 schrieb : »In der That hat der ›deutsche Chauvinismus‹106 jener Tage
nichts mit dem Rückgreifen zu unserer heimischen Renaissance zu schaffen, wie auch
mein Buch mit demselben nichts zu thun hat.« Es sei schlicht eine wissenschaftliche
Arbeit gewesen, die sich aus Lübkes Verpflichtung zur Fortführung von Kuglers Ge-
schichte der Baukunst ergeben habe und von langer Hand vorbereitet gewesen sei.107
Dass Eitelberger, der 1870 noch selbst die deutschen Erfolge im Deutsch-Franzö-
sischen Krieg bejubelt hatte und dem die politische Indienstnahme von Kunst, wie
vielfach gesehen, ein täglich Brot war, sich in derlei Konflikte mit einem seit Langem
geschätzten Kollegen begab,108 bedarf einer näheren Erklärung. Wie die Lektüre sei-
nes Textes zeigt, ging Eitelberger auch am Ende der 1870er Jahre von einer nationalen
Bedingtheit von Kunst aus und war von seiner deutschfreundlichen Position keines-
falls abgerückt. So wünschte er, der »Künstlergenius der deutschen Nation« möge aus
den Bestrebungen einer Renaissance der Künste »als Sieger hervorgehen«.109 Allerdings
meinte er, in der kunsthistorischen Betrachtung der ›deutschen Renaissance‹ neben der
»energische[n] Kraft des deutschen Stammes« auch ästhetische Mängel, fehlende Stil-
einheit und -reinheit sowie eine unausgeglichene Anwendung der Gattungen zu er-
kennen. Für die Kunstproduktion der Gegenwart sah Eitelberger daher nicht in einer
tagespolitisch motivierten Nabelschau das Mittel der Wahl, sondern eben im Blick nach
Italien und Griechenland.110 Einerseits war sein Urteil über die Rezeption der deut-
103 Eitelberger, Die deutsche Renaissance (zit. Anm. 1), S. 374 f.; dazu : Lübke, Gesammelte
Schriften Eitelbergers (zit. Anm.
100), S.
228 f.
104 Lübke, Gesammelte Schriften Eitelbergers (zit. Anm.
100), S.
224.
105 Ebenda, S.
226.
106 Lübke zitiert aus : Eitelberger, Friedrich Schmidt (zit. Anm.
44), S.
399 ; dort heißt es über die
›deutsche Renaissance‹, dieselbe sei »ein Mischstil, ein Stil der Verfallszeit, der in der deutschen
Kunst- und Kunst-Literatur erst nach dem Tage von Sedan wieder in Schwung gekommen ist, da
man um jeden Preis das Deutschtum verherrlichen wollte. Doch die Tage des deutschen Chauvi-
nismus sind vorüber […]«.
107 Lübke, Gesammelte Schriften Eitelbergers (zit. Anm.
100), S.
229.
108 So wurden Lübkes Schriften in den Mittheilungen der k. k. Central-Commission zur Erforschung und
Erhaltung der Baudenkmale als Grundlagenwerke empfohlen und im Zeitraum von Eitelbergers
Mitgliedschaft in der Commission 1861–1863 veröffentlichte Lübke dort auch selbst (siehe den
Beitrag von E. Ziemer in diesem Band).
109 Eitelberger, Die deutsche Renaissance (zit. Anm.
1), S.
404.
110 Ebenda, S.
402–404, direktes Zitat auf S.
402.
Rudolf Eitelberger von Edelberg
Netzwerker der Kunstwelt
- Titel
- Rudolf Eitelberger von Edelberg
- Untertitel
- Netzwerker der Kunstwelt
- Autoren
- Julia Rüdiger
- Eva Kernbauer
- Kathrin Pokorny-Nagel
- Raphael Rosenberg
- Patrick Werkner
- Tanja Jenni
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20925-6
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 562
- Kategorie
- Biographien