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Rudolf von Eitelberger als Ideologe der Wiener Ringstraße 211
Verwendung gotischer Formen für Theaterbauten und antiker für katholische Kirchen
ablehnte, vertrat er nicht einmal die Position des typologischen Eklektizismus, der die
Korrespondenz der Stilmodi mit den konkreten Funktionen durchsetzte, konsequent.
Im Gegenteil verlangte er die Bewertung der Bauten nach der ästhetischen Qualität
und nicht nach den konzeptuellen Schemen. Nach seiner Überzeugung sind »die Stil-
richtungen […] eben nicht bloß von prinzipieller und doctrinärer Wirklichkeit ; man
interessiert sich für die selben wegen der Kunstwerke, die während der Dauer ihrer
Herrschaft geschaffen wurden«.16 Die dogmatische Bevorzugung der konkreten Idi-
ome hielt er für unvereinbar mit dem Prinzip des freien künstlerischen Schaffens. »Der
Architekt baut ohnedies nicht mit Gesinnungen, sondern mit constructiven Elemen-
ten […], denn das Abhaspeln von Doktrinen ist für einen denkenden und praktischen
Künstler von sehr zweifelhaftem Werthe.«17 Als Bereich für ideologisch motivierte
Interpretationen betrachtete er ausschließlich das Gebiet der politischen Publizistik.
»Sind diese Schriftgelehrten liberal, so ist es begreiflich, daß sie für die Antike und die
Renaissance schwärmen und die moderne Gothik bekämpfen […] ; sind sie clerical und
conservativ gesinnt, so thun sie das Umgekehrte.«18 (Abb.
2)
Anhand von Erinnerungen seiner Mitarbeiter kann man jedoch ein zweites Gesicht
Eitelbergers rekonstruieren – das Gesicht des loyalen Beamten, der »das Heil nur in
der absoluten Unterwerfung des gesamten Schaffens unter der Aegide des Staatsge-
16 Eitelberger, Die Kunst-Entwicklung (zit. Anm.
13), S.
15.
17 R. Eitelberger von Edelberg, Friedrich Schmidt. Biographische Skizze, in : ders., Gesammelte
kunsthistorische Schriften, I (zit. Anm.
13), S.
380–426, hier S.
397 f.
18 Ebenda, S.
398.
Abb. 2 : Stilistische Pluralität der historistischen Architektur : »Die ästhetische Gürtelbahn. Wollte man alle
Schrullen unserer Künstler berücksichtigen, so müßte jeder Waggon nach Hansen im byzantinischen, der
Tender im Renaissance- und die Lokomotive im gotischen Style hergestellt werden«. Kikeriki, 3.11.1881.
Rudolf Eitelberger von Edelberg
Netzwerker der Kunstwelt
- Titel
- Rudolf Eitelberger von Edelberg
- Untertitel
- Netzwerker der Kunstwelt
- Autoren
- Julia Rüdiger
- Eva Kernbauer
- Kathrin Pokorny-Nagel
- Raphael Rosenberg
- Patrick Werkner
- Tanja Jenni
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20925-6
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 562
- Kategorie
- Biographien