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214 Jindřich Vybíral
französischen Kultur, die er auf Grund der politischen Konnotationen strikt ablehnte.
So meinte er : »Die französische Renaissance-Bewegung ist specifisch national ; sie ist
geistreich durch und durch ; […] aber sie hat keine Elemente in sich, um das Volk für
ideale Aufgaben der Kunst zu erziehen […].«27 Gerade die barocken Tendenzen der
zeitgenössischen französischen Architektur waren für ihn ein Beweis für ihren gerin-
gen Wert und Verfall : »Die französische Renaissance-Bewegung […] ist selbst in ihren
reinsten Formen nicht frei von einem barocken Beigeschmacke. Sie nimmt daher in der
Geschichte der europäischen Civilisation, insbesondere der italienischen Renaissance
gegenüber, eine untergeordnete Stellung ein.«28 Diese Meinung vertritt Eitelberger, als
er sich gegen die angebliche Verwendung des französischen Stils im Museumsprojekt
Carl Hasenauers aussprach.29 Es ist wahrscheinlich, dass entweder aus seiner Feder oder
zumindest aus seinem Umfeld der anonyme Artikel aus dem Jahr 1866 stammt, der
folgende dringliche Frage formuliert : »Wie kommt aber überhaupt Wien dazu, in der
Architektur französische Renaissance zu pflegen ?« Dieser Trend sei im direkten Wider-
spruch zu der heimischen Kunsttradition, die auf der Rezeption der italienischen Kunst
gegründet ist : »Die italienische Renaissance ist und bleibt das Schönste, was die neuere
Profan-Baukunst geschaffen. […] Wenn wir schon auf die Reproduktion vorhandener
Stylformen angewiesen sind, so sollen wir stets das Beste und Vollendetste anstreben.«30
Man kann mit Berechtigung vermuten, dass Eitelbergers Lobgesang an die italieni-
sche Renaissance zum größten Teil als Argument gegen die »Kontamination« der Wie-
ner Architektur durch die französischen Modelle diente. Aber wie kam es dazu, dass die
Kultur, die Eitelberger so lange bewunderte, nun einen solchen Unwillen hervorrief ?
Waren seine Attacken gegen die barocken Tendenzen der französischen Architektur
durch ein normatives ästhetisches Empfinden motiviert, das man in seiner Ablehnung
der ›deutschen Renaissance‹ als abgeleitetem, hybridem Stil ahnen kann ?31
Oder leiteten ihn andere Anregungen ? Die Antwort bietet uns der Vortrag aus dem
Jahr 1870, in dem Eitelberger die außenpolitischen Bedingungen für die Entwicklung
der österreichischen materiellen Kultur analysiert. Hier hat er nicht mehr die abge-
droschenen Phrasen über den Verfall wiederholt, sondern offen die »Präponderanz des
27 [Eitelberger], Die Renaissance in Wien (zit. Anm.
21).
28 Ebenda.
29 Ueber den Bau der k. k. Museen. Denkschrift des Directors v. Eitelberger, Neue Freie Presse,
Nr.
1202, 04.01.1868, Abendblatt, S.
4.
30 O. A., Die Franzosen in der Wiener Architektur, in : Neue Freie Presse, Nr. 614, 16.05.1866,
Abendblatt, S.
4.
31 R. Eitelberger von Edelberg, Die deutsche Renaissance und die Kunstbewegungen der Gegen-
wart [1876], in : ders., Oesterreichische Kunst-Institute und kunstgewerbliche Zeitfragen (Gesam-
melte kunsthistorische Schriften von Rudolf Eitelberger von Edelberg, II), Wien 1879, S.
370–404.
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Rudolf Eitelberger von Edelberg
Netzwerker der Kunstwelt
- Titel
- Rudolf Eitelberger von Edelberg
- Untertitel
- Netzwerker der Kunstwelt
- Autoren
- Julia Rüdiger
- Eva Kernbauer
- Kathrin Pokorny-Nagel
- Raphael Rosenberg
- Patrick Werkner
- Tanja Jenni
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20925-6
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 562
- Kategorie
- Biographien