Seite - 215 - in Rudolf Eitelberger von Edelberg - Netzwerker der Kunstwelt
Bild der Seite - 215 -
Text der Seite - 215 -
Rudolf von Eitelberger als Ideologe der Wiener Ringstraße 215
französischen Geschmackes« sowie die »unbestreitbare Superiorität der französischen
Kunst-Industrie« anerkannt. Aus seinen Ausführungen geht hervor, dass die französi-
sche Konkurrenz nicht den guten Geschmack, sondern die ökonomischen Interessen
Österreichs und der deutschen Länder bedrohte. »Das Uebergewicht der Franzosen auf
diesem Gebiete […] lastete wie ein Alp auf der deutschen und auf der österreichischen
Kunst-Industrie und erschwerte jeden Versuch zu Emancipation.«32
Auf Grund der Zeitungsartikel, die er seit den 1860er Jahren publizierte, könnte man
darauf schließen, dass Eitelberger mehr ein Nationalist als ein Liberaler war und dass er
der österreichischen Kunst wirklich einen »einheitlich-heimatlichen Charakter aufzu-
drücken« versuchte. Dabei »fühlte er centralistisch und im edlen Sinne autokratisch«33.
Wir können sogar spekulieren, ob er unter dem Aufruf zur Anknüpfung an die heimi-
schen Traditionen nicht ein Revival der gotischen Architektur im Sinne hatte, die er
aufrichtig bewunderte. »Es liegt in dem gothischen Stile eine unverwüstliche künstleri-
sche Schönheit. Das Erhabene, das Majestätische, das Mystisch-geheimnisvolle kommt
bei ihm, wie bei dem Ägyptischen, zur vollen Geltung«, so tat er seine Begeisterung in
einem Text aus dem Jahr 1878 kund.34 Es ist bekannt, dass Heinrich Ferstel als Autor
der Votivkirche und ein weiterer Promoter der Neugotik, nämlich Friedrich Schmidt,
seine favorisierten Architekten waren. Die neogotische Architektur hat er für Öster-
reich besonders auf Grund des »vorwiegend künstlerischen Charakters« hervorgehoben.
Gleichzeitig hat er sie als Gegenpart zur banalen Architektur der Ringumgebung ge-
sehen, »welche ihren Ausgangspunkt von der Stadterweiterung nahm und bei welcher
es sich in erster Linie darum handelte, die grosse Bau-Bewegung in Wien geschäftlich
auszubeuten«.35
Bei genauer Lektüre seiner Texte über die Architektur der Ringstraßenära kann man
nicht übersehen, dass Eitelberger seine ästhetischen Präferenzen einerseits explizit for-
mulierte, andererseits zwischen den Zeilen ausdrückte oder gar verbarg. Dies bestätigt
den Eindruck von einer gespaltenen Persönlichkeit Eitelbergers als Kommentator des
zeitgenössischen künstlerischen Schaffens. Auf der einen Seite plädierte er für die Auto-
nomie der Kunst und kritisierte politische Restriktionen, auf der anderen Seite bestritt er
32 Die österreichische Kunst-Industrie und die heutige Weltlage (Nach einer Vorlesung des Herrn
Directors v. Eitelberger im Oesterreichischen Museum), in : Neue Freie Presse, Nr.
2236, 17.11.1870,
Abendblatt, S. 6. Vgl. R. Eitelberger von Edelberg, Der deutsch-französische Krieg und sein
Einfluss auf die Kunst-Industrie Österreichs (Vortrag, gehalten im Oesterreichischen Museum am
27. October 1870), in : ders., Gesammelte kunsthistorische Schriften, II (zit. in Anm. 31), S. 316–
343.
33 Ilg, Eitelberger (zit. Anm.
19), S.
1.
34 Eitelberger, Heinrich Ferstel (zit. Anm.
15), S.
283.
35 Ebenda, S.
285.
Rudolf Eitelberger von Edelberg
Netzwerker der Kunstwelt
- Titel
- Rudolf Eitelberger von Edelberg
- Untertitel
- Netzwerker der Kunstwelt
- Autoren
- Julia Rüdiger
- Eva Kernbauer
- Kathrin Pokorny-Nagel
- Raphael Rosenberg
- Patrick Werkner
- Tanja Jenni
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20925-6
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 562
- Kategorie
- Biographien