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216 Jindřich Vybíral
diese Autonomie und versuchte eine enge Verknüpfung zwischen Kunst und politischen
Programmen beziehungsweise Interessen durchzusetzen. Bei der Analyse seiner Texte
ist es wichtig, sich wiederholt die Frage zu stellen, ob es sich mehr um ein kritisches
ästhetisches Denken oder um politische Publizistik handelt. Als Kritiker und Historiker
schätzte Eitelberger die Arbeit im reinen Stil, er kritisierte den »romantischen« Eklekti-
zismus eines Eduard van der Nüll und verachtete die banale Bauproduktion. Als loyaler
Beamter unterdrückte er seine persönlichen Präferenzen und förderte das Geschehen,
das er als nützlich »für Wien und Oesterreich überhaupt« erachtete.36 Seine Anschau-
ungen waren dabei nicht kohärent, sondern entstanden pragmatisch als Reaktion auf die
aktuellen Ereignisse. Eine beständige Verbindung zwischen Eitelbergers politischen An-
sichten und seinen ästhetischen Präferenzen lässt sich deshalb nicht finden. Gleichzeitig
zeigen seine Texte, dass die Staatsmacht Österreichs weder explizite Anforderungen hin-
sichtlich des architektonischen Ausdrucks der Staatsgebäude formulierte, noch solche
hatte. Die »Wiener Stile« der Ringstraßenära konnten verschiedene politische Inhalte
tragen und ihre ikonologischen Prädikate waren arbiträr. Eine eindeutige Wichtigkeit
hatten nur die allgemeinen Attribute der Architektur der Macht
– wie im Fall des Parla-
ments »hervorragende Großartigkeit, Einfachheit, Würde und Adel«.37 (Abb.
4)
Es ist sicherlich legitim, sich der Erforschung ideologischer Implikationen der ein-
zelnen Bauten der Ringstraßenära zu widmen, doch das Nachdenken über den politi-
schen Sinn der »Wiener Stile« en bloc kann meiner Meinung nach nur zu sehr pauscha-
len Aussagen führen. Und auch wenn meine Schlussfolgerung skeptisch klingt, will ich
damit nicht sagen, dass die Frage nach der Beziehung zwischen Liberalismus und Ring-
straßenarchitektur nicht relevant wäre. Die Texte Eitelbergers zeigen nämlich, dass sich
der politische Liberalismus nicht primär mittels architektonischer Symbolik realisierte,
sondern vielmehr in der Art, wie er die Kursrichtung der öffentlichen Bauten vorgab.
Eitelberger prangerte die Kulturpolitik des Vormärz an, die er mit dem Begriff »System
polizeilicher Bevormundung« charakterisierte.38 So bezeichnete er die Praxis der büro-
kratischen Institution des Hofbaurates, der über die Auswahl der Künstler und Baustile
im Fall der Staatsaufträge sowie über die Bautätigkeit der Gemeinden, der Körperschaf-
ten und sogar der Privatpersonen entschied. Durch die Beseitigung dieser Zensurpraxis
sollte die Architektur ihre wichtigste Bedingung für eine erfolgreiche Entwicklung er-
halten – die Freiheit. »In der Freiheit der Bewegung der Künstler und der Mannig-
36 [Eitelberger], Die österreichische Kunst-Industrie (zit. Anm.
32), S.
6.
37 Wettbewerbsprogramm zit. nach R. Wagner-Rieger, Wiens Architektur im 19. Jahrhundert,
Wien 1970, S.
178.
38 R. Eitelberger von Edelberg, Die Plastik Wiens in diesem Jahrhundert, in : ders., Gesammelte
kunsthistorische Schriften, I (zit. Anm.
13), S.
104–157, hier S.
114.
Open Access © 2019 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN
Rudolf Eitelberger von Edelberg
Netzwerker der Kunstwelt
- Titel
- Rudolf Eitelberger von Edelberg
- Untertitel
- Netzwerker der Kunstwelt
- Autoren
- Julia Rüdiger
- Eva Kernbauer
- Kathrin Pokorny-Nagel
- Raphael Rosenberg
- Patrick Werkner
- Tanja Jenni
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20925-6
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 562
- Kategorie
- Biographien