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254 Matthias Noell
Denkmalinventar zählte damit nicht nur zu den archivarischen, sondern auch zu den
Lehr- und Vorbildsammlungen wie beispielsweise Gipsabgüsse oder Fotografien. Erst
nach 1900 trat dieser Aspekt der Vorlagensammlung, zeitgleich mit der methodischen
Ausdifferenzierung der Denkmalpflege, in den Hintergrund : Georg Hager, der Gene-
ralkonservator der Kunstdenkmale und Altertümer in Bayern, sollte auf dem sechsten
Tag für Denkmalpflege 1905 in Bamberg von den Künstlern nun »Kunstwerke, nicht
Stilübungen« fordern.33 Mit einer modernen Architektur und einem modernen Kunst-
gewerbe und ihren reformierten Ausbildungen trat nun auch eine »moderne Denk-
malpflege«, wie sie in Wien von Alois Riegl, Max Dvořák und Hans Tietze propagiert
wurde, auf den Plan : »Neues Ziel muß sein, sich mit dem Denkmal auseinanderzuset-
zen, wie alle schöpferischen Zeiten es getan haben, das Vorhandene als Ausgang und
Auslösung eigener selbständiger Leistung zu benutzen.«34
Was blieb, war Eitelbergers Ansicht, dass Kunstindustrie und Kunstausbildung näher
zusammenrücken müssten. Auch Hager sprach sich später für eine stärkere Beteiligung
der Kunsthochschulen und ihrer Absolventen im Rahmen der Denkmalpflege aus :
Aber die Kunstanstalten sind ein Wirtschaftsprodukt unserer Zeit, sie sind Organisationen,
wie wir sie ähnlich auf anderen Gebieten finden. Wir kommen vielfach in die Lage, mit ihnen
zu arbeiten. Wir müssen streben, sie den Zwecken der Kunstpflege in unserm Sinne dienstbar
zu machen. Wir müssen von den Kunstanstalten verlangen, daß sie tüchtige Künstler bei-
ziehen, die dann unter Umständen auch selbständig mit den Kirchenverwaltungen über ihre
Arbeiten verhandeln können.35
Kunsthandwerker und Architekten an der jeweils regionalen Tradition zu schulen, je-
doch bei der Wahl der Formen eigene, neue Wege gehen zu lassen – hier sind wir gar
nicht weit von der Unterrichtsabteilung im Preußischen Handelsministerium um Her-
mann Muthesius entfernt, und damit dem Ausgangspunkt für die Kunstgewerbeschul-
reform, für die man gerade auch in Wien erneut auf John Ruskin zurückgriff.
33 G. Hager, Über Denkmalpflege und moderne Kunst, in : Sechster Tag für Denkmalpflege. Bam-
berg 1905, Stenographischer Bericht, Berlin 1905, S.
21–35, hier S.
28.
34 H. Tietze, Denkmalkult, in : Genius. Zeitschrift für werdende und alte Kunst, 3, 1921, S. 195–197,
hier S. 197. Vgl. auch ders., Die moderne Denkmalpflege, in : Die Kultur. Viertel-Jahrschrift für
Wissenschaft, Literatur und Kunst, 8, 1907, S. 177–197. Zur »modernen Denkmalpflege« vgl. auch
B. Euler-Rolle, »Moderne Denkmalpflege« und »moderne Architektur« – gemeinsame Wurzeln,
getrennte Wege ?, in : Österreichische Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege, 61, 2007, S.
145–161.
35 G. Hager, Denkmalpflege und moderne Kunst [1905], in : ders., Heimatkunst. Klosterstudien.
Denkmalpflege, München 1909, S.
466–486, hier S.
481.
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Rudolf Eitelberger von Edelberg
Netzwerker der Kunstwelt
- Titel
- Rudolf Eitelberger von Edelberg
- Untertitel
- Netzwerker der Kunstwelt
- Autoren
- Julia Rüdiger
- Eva Kernbauer
- Kathrin Pokorny-Nagel
- Raphael Rosenberg
- Patrick Werkner
- Tanja Jenni
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20925-6
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 562
- Kategorie
- Biographien