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und Publikum.«7 Eitelberger geht es immer um den generellen Stand der Kunst, um
deren Entwicklung sowie um deren Bezüge zur Zeit, zur Gesellschaft und zur Kultur.
Die Einzelkritik bestimmter Kunstwerke erfolgt aus diesem Kontext heraus und nimmt
zumeist geringen Raum ein.
Zeittypisch ist auch Eitelbergers Verortung der Gegenwartskunst. Der Kritiker hält
am Narrativ einer fundamentalen, bewusst eingeleiteten klassizistisch-romantischen
Erneuerung der Künste ab dem ausgehenden 18.
Jahrhundert fest und ist grundsätzlich
von deren Richtigkeit überzeugt. So teilt er mit den Protagonisten dieser künstlerischen
Wende die Vorstellung, dass die Künste im 16. Jahrhundert verfallen seien :8 »Ist doch
im 16. Jahrhundert die Entwickelung der deutschen Kunst gewaltsam unterbrochen
worden, in ihrer schönen Entfaltung der Sturm zu gewaltig einhergebrochen, als daß er
die zarte Pflanze mit seinem tödtenden Hauche nicht hätte zerstören sollen.«9 Dem-
gegenüber sei es um 1800 zu einem Wiederaufschwung der Künste gekommen :
Vergleichen wir, was vor fünfzig Jahren deutsches Volk, Wissenschaft und Kunst gewesen und
was sie jetzt ist, so wird unsere Hoffnung zur Gewißheit. Das Bestreben, sich einer hohlen
Idealität zu entziehen, wie sie zu Fügers Zeiten herrschte, der Drang nach wahrer Natur- und
Lebensauffassung, der sich im Fache des Genre und der Landschaft kund giebt, das Bestreben
mancher Künstler, die mit den Malerschulen zugleich erneute Farbentechnik durch Studium
der Farben an alten Gemälden wieder zu gewinnen, dies Alles deutet uns auf das Nahen einer
besseren Zeit.10
Allerdings vermögen die Resultate dieses Wiederaufschwungs den Ansprüchen Ei-
telbergers zunehmend weniger zu genügen – und zwar gerade im Vergleich zur alten
Kunst :
Der tüchtig kräftige Farbenton, der uns bei allen Werken der besseren Zeit so mächtig er-
greift, und die dadurch bedingte Naturgewalt der Gestalten, die in organischer Lebendigkeit
uns nicht daran erinnert, ein Gemälde vor uns zu haben, sondern die Täuschung zur Wahrheit
macht, die hohe Idealität, innige Religiosität und Demuth, die lebt und nicht blos scheint, dies
Alles vermissen wir an den Kunstwerken unserer Zeit, und mit Wehmuth erfüllt sich unser
7 R. Eitelberger von Edelberg, Die Wiener Kunstausstellung im Jahre 1844, in : Kunstblatt, 25,
23.07.1844, Nr.
59, S.
249–251, hier. S.
249.
8 Vgl. Scholl, Revisionen der Romantik (zit. Anm. 1), S. 37 f. Eine Umkehrung dieses Narrativs
fand letztlich erst im ausgehenden 19.
Jahrhundert statt
– vgl. ebenda, S.
496–508.
9 Eitelberger, Wiener Kunstausstellung 1844 (zit. Anm.
7), S.
250.
10 Ebenda, S.
250 f.
Rudolf Eitelberger von Edelberg
Netzwerker der Kunstwelt
- Titel
- Rudolf Eitelberger von Edelberg
- Untertitel
- Netzwerker der Kunstwelt
- Autoren
- Julia Rüdiger
- Eva Kernbauer
- Kathrin Pokorny-Nagel
- Raphael Rosenberg
- Patrick Werkner
- Tanja Jenni
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20925-6
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 562
- Kategorie
- Biographien