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262 Christian Scholl
genannten Kunstkritikern absetzt, die die Reformation als einen unhintergehbaren
Fortschritt ansahen. Über den historisierenden Stil Joseph von Führichs schreibt er :
»Durch dieses sich Hineinleben in den Styl entfernt sich Führich in der Kunst von
den wahren Elementen des Katholizismus, den er doch vertreten will ; er greift in das
Protestantisch-Pietistische (?) über.«23 Das eingeklammerte Fragezeichen hinter den
Worten »das Protestantisch-Pietistische« stammt vermutlich von den Herausgebern des
Schorn’schen Kunstblattes, die diesbezüglich sicher nicht mit Eitelberger einer Meinung
waren. So zeigt sich, wie flexibel das konfessionelle Argument je nach Standpunkt der
Kritiker eingesetzt werden konnte.
Eitelbergers Nazarenerkritik lenkt den Blick darüber hinaus auf einen grundlegenden
Aspekt seines Kunstverständnisses : In seinem Entwicklungsmodell der Kunst gibt es
keinen positiv konnotierten Platz für Archaismen. Tatsächlich vertritt er in seinen frü-
hen Kunstkritiken ein reines Fortschrittsmodell, bei dem die Kunstgeschichte als eine
Folge unhintergehbarer Innovationen erscheint. So heißt es in dem Artikel Ueber den
Kunstverein, der 1846 im Wiener Kunstblatt erschien : »Die Kunstgeschichte wird dann
nicht als eine Reihe von Zufälligkeiten betrachtet, sondern als eine Entwiklung von Er-
oberungen, die als unmittelbare Wahrheit aufgefaßt, nie und nirgends verleugnet werden
dürfen.«24 Beispielsweise könne man nach Ruisdael nicht mehr Bäume malen, wie Roe-
land Savery sie noch gemalt habe.25 In seiner Rezension von 1847 schreibt Eitelberger :
Die Fortschritte in der Kunst sind immer eben so viele Fortschritte in der Technik ; der weitere
Gesichtskreis fordert immer eine größere Herrschaft über die Mitteln, ihn zu beherrschen
und zu durchdringen. Es heißt alle Begriffe verwirren, das Unterste zum Obersten, den An-
fang zum Ende machen, wenn man die in ihrer Zeit bedeutungsvolle altitalienische Malerei
uns Deutschen nach sechs Jahrhunderten zum Muster hinstellet. Daß heut zu Tage viele den
Ruhm haben, große Künstler zu sein, ohne die Technik in ihrer Gewalt zu haben, ist ein Zei-
chen einer krankhaften Richtung der Zeit, die wahrlich nicht gehoben wird, wenn man die
Fehler beschönigt oder gar rechtfertigt. Der bloße Verstandesromantizismus, der in der Kunst
sich selbst überstürzt hat, muß überwunden werden, muß von dem lebendig-fluthenden Zeit-
alter hinweggespült werden, wenn sich etwas gestalten soll, was unserer Zeit, unseren Verhält-
nissen, unseren Bedürfnissen entspricht.26
23 Eitelberger, Wiener Kunstausstellung 1844 (zit. Anm.
7), S.
254.
24 R. Eitelberger von Edelberg, Ueber den Kunstverein, in : Kunstblatt. Beilage zu den Sonntags-
blättern, XI./Nr.
23, 07.06.1846, S.
546–552, hier S.
551.
25 Ebenda.
26 R. Eitelberger von Edelberg, Die Wiener Kunstausstellung im Jahre 1847. Erster Artikel, in :
Kunstblatt. Beilage zu den Sonntagsblättern, 6, Nr.
9, 28.03.1847, S.
56–58, hier S.
56.
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Rudolf Eitelberger von Edelberg
Netzwerker der Kunstwelt
- Titel
- Rudolf Eitelberger von Edelberg
- Untertitel
- Netzwerker der Kunstwelt
- Autoren
- Julia Rüdiger
- Eva Kernbauer
- Kathrin Pokorny-Nagel
- Raphael Rosenberg
- Patrick Werkner
- Tanja Jenni
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20925-6
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 562
- Kategorie
- Biographien