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264 Christian Scholl
menhängen verbunden. Ein prominentes Beispiel hierfür bietet Johann Joachim Win-
ckelmanns These, dass die Blüte der griechischen Kunst aus einem Zusammenspiel von
günstigem Klima und Demokratie entstanden sei – eine Annahme, die von Winckel-
mann selbst und später von Johann David Passavant auch auf die Stadtrepubliken in der
Toskana im Mittelalter und in der Renaissance übertragen wurde.30 Dass Eitelberger
selbst dazu tendierte, an solche Zusammenhänge zu glauben, belegt eine Passage aus
seinem Beitrag Ueber den Kunstverein im Wiener Kunstblatt von 1846 : »Die monumen-
tale Kunst der Griechen, Römer, der Venezianer, Florentiner und der deutschen Reichs-
städte des Mittelalters ist uns Beispiel einer gesunden Richtung. Hier ist, wie überall
die Kunst aus momentanen, der Gegenwart entsprechenden, wirklichen Bedürfnissen
entsprungen.«31
In dem Zuge, in dem solche Thesen Anklang fanden, nahmen Versuche zu, entspre-
chende Zusammenhänge für die eigene Gegenwart zu rekonstruieren – etwa durch
Mäzenatentum für öffentliche Kunst nach dem Muster des Perikles in Athen oder der
Medici in Florenz.32 So setzte Peter Cornelius in München mit seinem Projekt einer
erneuerten Freskomalerei bei den Bedingungen an, unter denen Kunst entstand : bei der
Auftragsvergabe, der Werkstattpraxis und der Maltechnik. Sein Ziel war die Stiftung
einer öffentlichkeitswirksamen Kunst nach historischem Vorbild, die im gesellschaft-
lichen Leben erneut eine zentrale Stellung einnehmen sollte.
Die Strategien, mit denen Cornelius und seine Schüler unter Ludwig I. an die Um-
setzung dieses Projektes gingen, fielen im Vormärz unter das Verdikt der Junghegelianer.
Dass ein gleichsam notwendiger Zusammenhang zwischen den historischen und ge-
sellschaftlichen Rahmenbedingungen und der künstlerischen Qualität bestehe, wurde
hingegen nicht in Frage gestellt. Im Gegenteil ließ sich das vermeintliche Scheitern
der nazarenischen Kunst als Beleg werten, dass sich die Bedingungen eben noch nicht
geändert hatten.33 Die durch die Befreiungskriege genährten Hoffnungen auf einen
30 J. J. Winckelmann, Schriften und Nachlaß, Bd. 4,1 : Geschichte der Kunst des Alterthums (hg.
von A. H. Borbein/Th. W. Gaethgens/J. Irmscher/M. Kunze), Mainz 2002, S. 46 u. S. 48 ;
J. D. Passavant, Ansichten über die bildenden Künste und Darstellung des Ganges derselben in
Toscana ; zur Bestimmung des Gesichtspunctes, aus welchem die neudeutsche Malerschule zu be-
trachten ist. Von einem deutschen Künstler in Rom, Heidelberg/Speyer 1820, S.
37.
31 Eitelberger, Kunstverein (zit. Anm.
24), S.
548.
32 Vgl. Scholl, Revisionen der Romantik (zit. Anm.
1), S.
258–267.
33 Vgl. ebenda, S. 267–279. Bezeichnend ist Anton Springers Replik auf eine Verteidigung der
Münchner Kunst durch Rudolf Marggraff : A. Springer, Rudolph Marggraff als Apologet der
Münchner Kunst, in : Jahrbücher der Gegenwart, 4, 1846, S. 589 : »Die Münchner demokratische
Kunst ist demnach eine ›in Rom geborene‹, ›von einem Individuum getragene‹, ›vereinzelte‹, ›über-
all geschmähte‹ Erscheinung, welcher zur Demokratie nur das bischen Volk fehlt, oder kurz und
deutsch gesagt
– eine Privatangelegenheit.«
Open Access © 2019 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN
Rudolf Eitelberger von Edelberg
Netzwerker der Kunstwelt
- Titel
- Rudolf Eitelberger von Edelberg
- Untertitel
- Netzwerker der Kunstwelt
- Autoren
- Julia Rüdiger
- Eva Kernbauer
- Kathrin Pokorny-Nagel
- Raphael Rosenberg
- Patrick Werkner
- Tanja Jenni
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20925-6
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 562
- Kategorie
- Biographien