Seite - 12 - in Schachnovelle
Bild der Seite - 12 -
Text der Seite - 12 -
und Czentovic müsse unbedingt gegen ihn spielen. Er habe noch nie im Leben
gegen einen Weltmeister gespielt außer einmal bei einer Simultanpartie mit
vierzig anderen; schon das sei furchtbar spannend gewesen, und er habe
damals beinahe gewonnen. Ob ich den Schachmeister persönlich kenne? Ich
verneinte. Ob ich ihn nicht ansprechen wolle und zu uns bitten? Ich lehnte ab
mit der Begründung, Czentovic sei meines Wissens für neue Bekanntschaften
nicht sehr zugänglich. Außerdem, was für einen Reiz sollte es einem
Weltmeister bieten, mit uns drittklassigen Spielern sich abzugeben?
Nun, das mit den drittklassigen Spielern hätte ich zu einem derart
ehrgeizigen Manne wie McConnor lieber nicht äußern sollen. Er lehnte sich
verärgert zurück und erklärte schroff, er für seinen Tell könne nicht glauben,
daß Czentovic die höfliche Aufforderung eines Gentlemans ablehnen werde;
dafür werde er schon sorgen. Auf seinen Wunsch gab ich ihm eine kurze
Personenbeschreibung des Weltmeisters, und schon stürmte er, unser
Schachbrett gleichgültig im Stich lassend, in unbeherrschter Ungeduld
Czentovic auf das Promenadendeck nach. Wieder spürte ich, daß der Besitzer
dermaßen breiter Schultern nicht zu halten war, sobald er einmal seinen
Willen in eine Sache geworfen.
Ich wartete ziemlich gespannt. Nach zehn Minuten kehrte McConnor
zurück, nicht sehr aufgeräumt, wie mir schien.
»Nun?« fragte ich.
»Sie haben recht gehabt«, antwortete er etwas verärgert. »Kein sehr
angenehmer Herr. Ich stellte mich vor, erklärte ihm, wer ich sei. Er reichte mir
nicht einmal die Hand. Ich versuchte, ihm auseinanderzusetzen, wie stolz und
geehrt wir alle an Bord sein würden, wenn er eine Simultanpartie gegen uns
spielen wollte. Aber er hielt seinen Rücken verflucht steif; es täte ihm leid,
aber er habe kontraktliche Verpflichtungen gegen seinen Agenten, die ihm
ausdrücklich untersagten, während seiner ganzen Tournee ohne Honorar zu
spielen. Sein Minimum sei zweihundertfünfzig Dollar pro Partie.«
Ich lachte. »Auf diesen Gedanken wäre ich eigentlich nie geraten, daß
Figuren von Schwarz auf Weiß zu schieben ein derart einträgliches Geschäft
sein kann. Nun, ich hoffe, Sie haben sich ebenso höflich empfohlen.«
Aber McConnor blieb vollkommen ernst. »Die Partie ist für morgen
nachmittags drei Uhr angesetzt. Hier im Rauchsalon. Ich hoffe, wir werden
uns nicht so leicht zu Brei schlagen lassen.«
“Wie? Sie haben ihm die zweihundertfünfzig Dollar bewilligt?” rief ich
ganz betroffen aus.
“Warum nicht? C’ est son métier. Wenn ich Zahnarzt an Bord, würde ich
12
zurück zum
Buch Schachnovelle"
Schachnovelle
- Titel
- Schachnovelle
- Autor
- Stefan Zweig
- Datum
- 1942
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 46
- Schlagwörter
- Literatur, Unterricht, Schriftsteller
- Kategorien
- Weiteres Belletristik