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18 Nora Fischer und Anna Mader-Kratky
intellektuelles Spiegelbild entgegenzuhalten, dürfte für die zeitgenössische Leserschaft
besonders interessant gewesen sein. Daher müssen die Hintergründe der kurzen Dauer
wahrscheinlich – wie so oft in Wien – in den jeweiligen personellen Konstellationen
der an den Gelehrten Zeitschriften Beteiligten gesucht werden.
Die prozesshaften Veränderungen, die in Wien um 1780 in den Bereichen Wissen-
schaft und Kunst vor sich gingen, wurden in der Öffentlichkeit intensiv und kontro-
vers diskutiert und das Interesse, stets auf dem Laufenden zu sein, verlangte kommu-
nizierende Netzwerke zum Informationserwerb. Diesen Prozessen bzw. den Verbin-
dungen zwischen den intellektuellen Akteuren widmet sich Thomas Wallnig in
Anwendung digitaler Methoden. Die Bezugnahme auf die historischen Daten mit
Mitteln der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien erweist sich auch
deshalb als so aufschlussreich, weil sich in der durch die gesteigerte Publizistik verur-
sachten Disponibilität großer Mengen an Informationen im späten 18. Jahrhundert
und der durch die elektronischen Medien hervorgerufenen Datenflut der Gegenwart
ähn liche Problemlagen ausmachen lassen. So gibt die digitale Bearbeitung des histori-
schen Quellenmaterials, gleichsam in Wiederholung der historischen Prozesse, den
Blick auf ein Spannungsfeld frei, das uns bis heute beschäftigt: die Frage nach der
Aussagekraft und dem Aussagewert von Daten(an)sammlungen. „Jenseits einer Pola-
rität von Fakt und Fiktum, von belastbaren Daten und arbiträren Bildern“ plädiert
Thomas Wallnig daher für eine „Auffassung von wissenschaft lichem Wissen“, die auf
die Erkenntnisprozesse selbst gerichtet ist. Der Frage nach der Bedeutung wendet er
sich aus mehreren Blickwinkeln zu: von dem Gesichtspunkt der Personennetzwerke
und des geographischen Raums, wie sie in der umfassenden Bio-bibliographie der
habsburgischen Länder Das gelehrte Österreich von Ignaz de Luca (1776/1778) darge-
stellt werden; aus Sicht der Druckorte der vom Verleger Johann Thomas Trattner 1777
in Wien angebotenen Werke; vom Standpunkt der dazu gespiegelten Referenzorte der
Göttinger Anzeigen von gelehrten Sachen aus dem Jahr 1780; und schließlich von-
seiten der Korrespondenznetzwerke, die sich zu den prominenten Gelehrtenpersön-
lichkeiten Nikolaus Joseph von Jacquin, Joseph von Sonnenfels und Ignaz von Born
aus der Korrespondenzdatenbank Kalliope extrahieren lassen. Die Analyse und
Zusammenführung dieser verschiedenen Perspektiven ergeben – als Vervollständigung
zur quellenbasierten, akademisch verschriftlichten Forschungsarbeit gedacht – ein
genaueres Bild vom „Wissen in Wien, 1780“.
Über die personell begrenzten Gelehrtennetzwerke hinaus beschäftigt sich Debora
J. Meijers mit einer breiteren Öffentlichkeit und geht der Frage nach, welche Anbin-
dung für das allgemeine Publikum an die Wiener Hofsammlungen im Kontext habs-
burgischer Repräsentation überhaupt möglich war, festgemacht an ihrer Öffnung und
Zugänglichkeit. Aus den Verordnungen des Wiener Hofes und den damit verbunde-
nen Reaktionen lässt sich ablesen, dass es zwischen 1765 und 1813 drei verschiedene,
zeitlich aufeinander folgende Konzepte der Zugänglichkeit zu den Sammlungen gab:
als Gnade des Hofes, als Vergünstigung für das und als Recht des Publikums. Es liegt
nahe, diese Öffnungsprozesse in Parallele zum Bedeutungs- und Funktionswandel der
Öffentlichkeit zur Zeit der Aufklärung zu sehen, insbesonders weil sich die Differen-
Schöne Wissenschaften
Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
- Titel
- Schöne Wissenschaften
- Untertitel
- Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
- Autor
- Nora Fischer
- Herausgeber
- Anna Mader-Kratky
- Verlag
- Österreichische Akademie der Wissenschaften
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7001-8642-7
- Abmessungen
- 20.9 x 29.3 cm
- Seiten
- 306
- Kategorie
- Kunst und Kultur