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Publikumsbesuch und Wissenschaftspflege in den drei kaiserlichen Kabinetten in Wien 27
neben dem Kaiser steht der Erste kaiser
liche Leibarzt Gérard van Swieten, der ab 1745
das Ehrenamt des Präfekten der Hofbibliothek innehatte und wohl deshalb dargestellt
wurde, weil sich das franziszeische Naturalienkabinett zuvor im Hofbibliothekstrakt
befunden hatte. Im Hintergrund ist nicht Ludwig von Baillou, sondern sein Vater Jean
de Baillou18 zu sehen, dessen Naturalienkabinett den Grundstock des franziszeischen
Naturalienkabinetts bildete. Die dargestellte Situation ist zwar fiktiv, das Interieur, das
den ersten Raum des Naturalienkabinetts mit den Schalentieren zeigt, dürfte hingegen
authentisch wiedergegeben sein.19
Öffnung der Kabinette für den allgemeinen Publikumsbesuch
Im August 1766 legten Marcy und Duval ihre Überlegungen zur künftigen Organisa-
tion der Kabinette unter der Leitung des Oberstkämmerers dar.20 Diese beiden Doku-
mente geben erstmals einen konkreten Einblick in den Sammlungsbetrieb, wobei die
frühere und nunmehrige Situation verg
lichen wird. Zu Lebzeiten Franz Stephans sei es
schwierig, ja beinahe unmöglich gewesen, in dessen Münzkabinett zu gelangen, daher
sei es nur einer kleinen Anzahl von Gelehrten oder interessierten Fremden zugänglich
gewesen. Der verstorbene Kaiser selbst habe sich um die Anordnung der Münzen und
die Bestandserweiterung gekümmert. Nun habe sich die Anzahl der Besucher erhöht,
was dem Wunsche Kaiser Josephs II. und Maria Theresias entspreche, doch habe sich
dadurch die Arbeit im Kabinett vergrößert. Das Münzkabinett sei durch die Zusam-
menlegung der Münzbestände vergrößert worden. Zu jedem Stück sei ein Karton21 mit
einer historischen Erklärung samt Angabe der Größe und des Gewichts anzufertigen.
Dazu seien die Stücke zu untersuchen, zu beschreiben, zu entziffern, zu klassifizieren
und zu rangieren. Außerdem habe man sich um die Erweiterung zu kümmern und die
Angebote zu prüfen. Im Physikalischen Kabinett seien die Maschinen zu reparieren
und deren Anzahl zu erhöhen sowie die notwendigsten Bücher anzuschaffen.
Eine Besuchsmöglichkeit zu fixen Besuchszeiten ohne Voranmeldung wurde erst-
mals 1769 beim Naturalienkabinett auf „Ihro Kaiserlich-König liche Apostolische
Majestät“ Anordnung eingeführt. Diese habe in der „Absicht, den Nutzen dieses herr-
lichen Denkmales […] allgemein zu machen, allergnädigst zu verordnen geruhet, daß
in Zukunft alle Künstler, alle vom Handel- und Burgerstand beyderley Geschlechts, in
gedachtes Kabinet eingelassen werden sollen; Zu welchem Ende solches alle Montage
morgens von 9. bis 12. Uhr offengehalten werden soll, in der Zuversicht, daß das Pub-
licum diese allerhöchste Gnade, durch ungeziemendes Betragen keineswegs mißbrau-
chen werde. Was übrigens die Gelehrte, und Personen von Range betrift, welche von
18 Nachruf auf Jean de Baillou in Wien[n]erisches Diarium Nr.
95 (29. November 1758), pag. 6; sein Tod
werde „von allen Gelehrten, welche nur besagtes bey der allhiesig Kaiserl. Königl. Bibliothec sich
befind
liche Musaeum jemals gesehen, einhellig bedauret.“
19 Vgl. die Beschreibung bei Sander 1784, 492; Hassmann 2015, Nr. 212.
20 Ebenda, Nr. 4–5; Hassmann / Winter 2016, 157–162.
21 Damit sind die Unterlagszettel gemeint, auf denen die Münzen und Medaillen lagen; ebenda, Abb. 77.
Schöne Wissenschaften
Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
- Titel
- Schöne Wissenschaften
- Untertitel
- Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
- Autor
- Nora Fischer
- Herausgeber
- Anna Mader-Kratky
- Verlag
- Österreichische Akademie der Wissenschaften
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7001-8642-7
- Abmessungen
- 20.9 x 29.3 cm
- Seiten
- 306
- Kategorie
- Kunst und Kultur