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Publikumsbesuch und Wissenschaftspflege in den drei kaiserlichen Kabinetten in Wien 29
Als Maria Theresia im April 1773
die Vorlage des bisher ausgearbeiteten
Inven
tar
konzepts verlangte, schlug Oberst-
kämmerer Heinrich Fürst Auersperg vor,
dazu ein Fachgutachten einzuholen und
der Monarchin künftig alle zwei Wochen
die neu verfassten Abschnitte zu zeigen.
Das undatierte und anonyme Gutachten
belegt die hoch gestellten Anforderungen:
Erstens sollten neben den griechischen
Fachtermini möglichst auch die deut-
schen, französischen und italienischen
Benennungen hinzugefügt werden. Zwei-
tens sollte „der Haubt-Gebrauch, oder die
Anwendung zur Nothwendigkeit, Zierde,
oder Bequemlichkeit, auch in so weit es
einen Menschen zu ergründen möglich ist,
das sonst sonder
liche Ziel und Ende des
Schöpfers bey jedem Gegenstand ganz
kurz angedeutet seyn“. Drittens wären
„auch ganz kurz die verschiedenen
Meinungen der Authoren in Betracht auf
die Bestand-Theile dieser natür lichen
Gegenstände, ihr erstes Herkommen,
Wachstum und Art, sich zu vermehren,
und so weiter, anzuführen“.28 Zum dritten Punkt merkte Baillou an, er verfüge über zu
wenig Literatur und das Kabinett habe kein Geld für Bücherankäufe, daher ersuche er
um Leihgenehmigung für Bücher der Hofbibliothek. Weiters besitze er keinen Arbeits-
platz, weshalb er am Montag, dem allgemeinen Besuchstag, stets unterbrochen werde.
Baillou bat, diesen wieder einstellen zu dürfen, da an diesem Tag ohnehin nur Diener,
Juden, arbeitslose Handwerker und kontaktsuchende (Freuden-)Mädchen in das
Kabinett kämen. Diese Leute könnten keinen Nutzen aus dem Kabinett ziehen und
seien ständig im Auge zu behalten.29 Maria Theresia gewährte die vorläufige Einstel-
lung des allgemeinen Besuchstages, doch dürfe Baillou nicht mehr als einen Band aus
der Hofbibliothek entlehnen. Er könne dort aber einen separaten Studierplatz erhal-
ten.30 Das Inventar des Naturalienkabinetts war schließlich Ende 1774 fast fertig.31
28 Vortrag Auerspergs vom 15. April 1773 mit einliegendem Gutachten; Zimmermann 1903, Nr. 19385;
Hassmann 2015, Nr. 19.
29 Promemoria Baillous vom 1. Mai 1773; ebenda, Nr. 20.
30 Resolution Maria Theresias auf die Note Auerspergs vom 24. Mai 1773; ebenda, Zusatz zu Nr. 21.
31 Vortrag Obersthofmeisters Khevenhüller-Metsch an Maria Theresia vom 30. Dezember 1774; ebenda,
Nr.
32.
Abb. 5: Joseph Seligmann, Porträt von
Ludwig Balthasar von Baillou, Lithographie
nach einer unbekannten Vorlage von 1801
(Wien, ÖNB, Bildarchiv und Grafiksammlung,
PORT 00159098-01)
Schöne Wissenschaften
Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
- Titel
- Schöne Wissenschaften
- Untertitel
- Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
- Autor
- Nora Fischer
- Herausgeber
- Anna Mader-Kratky
- Verlag
- Österreichische Akademie der Wissenschaften
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7001-8642-7
- Abmessungen
- 20.9 x 29.3 cm
- Seiten
- 306
- Kategorie
- Kunst und Kultur