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Publikumsbesuch und Wissenschaftspflege in den drei kaiserlichen Kabinetten in Wien 31
von „Baron Baillou verfertigte Arbeit keinen hinläng lichen Grund und Bestand
habe“,36 worauf Born endlich das mit 30. Oktober 1776 datierte Versicherungsdekret
erhielt. Born war mittlerweile im Auftrag der Hofkammer in Münz- und Bergwesen
als Hofkommissar nach Tirol abgereist, wo er sich ein halbes Jahr aufhielt.37 Seine
Arbeit im Naturalienkabinett konnte daher erst im darauffolgenden Jahr beginnen.38
Im Überblick zeigen diese, sich über vier Jahre hinziehenden Arbeiten im Natura-
lienkabinett, dass seitens des Hofes hinsichtlich der „literarischen“ Arbeit zwar ein
hoher Anspruch gestellt wurde, den Ausführenden im Vorhinein jedoch keine ent-
sprechenden Richtlinien und Hilfestellungen geboten wurden, um diesen Anspruch
auch erfüllen zu können. Selbst als mit Born eine sammlungsfremde Kapazität gefun-
den worden war, die diesen Anforderungen von sich aus gerecht werden konnte, ließ
man ihn monatelang im Ungewissen und machte ihn zum Bittsteller. Nach diesen
anfäng lichen Schwierigkeiten konnte Born jedoch den ersten Teil des Katalogs mit den
Schalentieren bereits 1778 als im Handel erwerbbare Studienausgabe in Latein und
Deutsch sowie 1780 auch als illustrierte Prachtausgabe in Latein herausgeben.39
Die Hofmathematiker Marcy und Nagel im Physikalischen Kabinett
Als Gegenbeispiele zu Ludwig von Baillou, der − abgesehen von seiner früheren
Funktion als Assistent seines Vaters Jean de Baillou – wohl keine weitere Ausbildung
genossen hatte, können die beiden Direktoren des Physikalischen Kabinetts, Abbé
Jean François de Marcy und dessen Nachfolger Joseph Anton Nagel, genannt werden.
Beide standen schon als Hofmathematiker im Dienst Kaiser Franz Stephans und schei-
nen in den ab 1747 (jedoch nur lückenhaft) erhaltenen Besoldungslisten „de la Maison
de Sa Majesté Imperiale“ teils im Maschinen- und teils im Naturalienkabinett auf.40
Marcy unterrichtete Erzherzog Peter Leopold und war ab 1770 Rat der Wiener Kunst-
akademie. Er verließ Wien im Jahr 1772, um die Würde eines Propstes von St.
Peter in
Löwen (Leuven) zu übernehmen.41
Joseph Nagel war gleichfalls eine vielseitige und viel beschäftigte Persönlichkeit. In
dessen Anstellungspatent als Hofmathematiker vom 19. Jänner 1748 wird angeführt,
dass er „sich auf die Arithmeticam, Geometricam elementarem et sublimiorem, Trigo-
nometriam, Mechanicam, Hydrostaticam, Aerometriam, Hydraulicam, Opticam,
Architecturam civilem und Algebram nebst der Zeichnungskunst geleget“ habe.42 In
36 Anfrage Rosenbergs an Maria Theresia vom 28. Oktober 1776; ebenda, Nr. 57. Das Dekret an Born;
ebenda, Nr. 58.
37 Hofer 1955, 35, 63, 66–67 mit Quellenverweisen.
38 Oberstkämmereramtsanweisung an Baillou vom 25. Jänner 1777, Born zu unterstützen; Hassmann
2015, Nr. 62.
39 Zur Studienausgabe ebenda, Nr. 71−75, zur Prunkausgabe Nr. 109, 112. Zu Born und dessen Katalog
vgl. den Beitrag von Christa Riedl-Dorn in diesem Band.
40 Hassmann / Winter 2016, 119, Anm. 150.
41 Büchner 1976, 254–256.
42 Kollationierte Abschrift; Hassmann 2015, Nr. 1.
Schöne Wissenschaften
Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
- Titel
- Schöne Wissenschaften
- Untertitel
- Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
- Autor
- Nora Fischer
- Herausgeber
- Anna Mader-Kratky
- Verlag
- Österreichische Akademie der Wissenschaften
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7001-8642-7
- Abmessungen
- 20.9 x 29.3 cm
- Seiten
- 306
- Kategorie
- Kunst und Kultur