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Christa Riedl-Dorn
Ordnung muss sein
Von der Naturaliensammlung zu den „Vereinigten k. k. Naturalien
cabineten“ unter
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Im späten 17. Jahrhundert lösten für ein allgemeines Publikum zugäng
liche Museen
allmählich die Kunst- und Wunderkammern sowie Studierstuben der Gelehrten des
Humanismus ab. So reichen die Ursprünge der großen europäischen naturhistorischen
Museen etwa in London und Paris ins 17. Jahrhundert zurück. Durch Expeditionen in
alle Welt wurde eine immer größer werdende Zahl an Tieren und Pflanzen bekannt,
doch gab es zu dieser Zeit noch kein einheit liches System zur Klassifikation der Expo-
nate. Erst um die Mitte des 18. Jahrhunderts wurden von Carl von Linné natur
wissen-
schaft liche Benennungen nach der von ihm eingeführten binären Nomenklatur sowie
Fachbegriffe standardisiert, die bis heute ihre Gültigkeit haben.
Kaiser Franz I. Stephan zeigte großes Interesse an den Naturwissenschaften, wobei
für ihn der mög liche Nutzen für die wirtschaft
liche Entwicklung im Vordergrund
stand, wie sich vor allem in seiner Förderung der Bergbaukunde zeigt.1 Im Jahr 1750
kaufte er in Florenz die 30.000 Objekte umfassende Naturaliensammlung des Cheva-
liers Jean de Baillou2, die vorerst in das sogenannte Kaiserhaus in der Wiener Wallner-
straße gebracht wurde, später aber wahrscheinlich in der Nähe der Hofbibliothek
untergebracht war. Neben dem Kaufpreis von 42.000 Scudi war vereinbart worden,
dass Baillou diesem neugegründeten Naturalienkabinett als Direktor vorstehen und
diese Würde erblich auch auf den jeweils ältesten Sohn seiner Nachkommen über-
tragen werden sollte.
Das heute im Stiegenhaus des Naturhistorischen Museums in Wien ausgestellte
Ölgemälde, das den Kaiser im Kreis der Direktoren seiner drei Sammlungen, Valentin
Jamerey-Duval für das Münzkabinett, Jean de Baillou für die Naturaliensammlung
(im Hintergrund) und Abbé Jean François de Marcy für das Physikalisch-astronomi-
sche Kabinett sowie den kaiser
lichen Hofarzt und Präfekten der Hofbibliothek Gérard
van Swieten zeigt, wurde aber erst nach dem Tod von Franz Stephan angefertigt
(Tafel 1).3 Durch weitere Sammeltätigkeit im In- und Ausland wurden die Bestände
1 Riedl-Dorn 2001, 29–39.
2 Jean de Baillou (1684 oder 1686 Frankreich – 1758 Wien) war ab 1731 in den Diensten des letzten
Mediceers in der Toskana sowohl für das Bergbauwesen und die Gärten wie auch ab 1735 für die
Uffizien zuständig. Seine Sammlung von naturwissenschaft lichen Objekten (Mineralien, Fossilien,
Schnecken, Muscheln, „vom Sandkorn bis zum künst lichen Edelstein“) war berühmt; Riedl-Dorn
1998, 22–23. Zum Erwerb vgl. dies. 2000, 112.
3 Nach Fitzinger 1856, 17, wäre das Bild 1773 entstanden, hingegen ist nach Fleischer 1932, Nr. 456, in
den Geheimen Kammerzahlamtbüchern vermerkt, dass Franz Messmer bereits 1767 für die Fertig-
stellung des Gemäldes mit 300 Dukaten entlohnt wurde, vgl. dazu Lorenz / Mader-Kratky 2016, 515,
Anm. 1184 (Anna Mader-Kratky).
Schöne Wissenschaften
Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
- Titel
- Schöne Wissenschaften
- Untertitel
- Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
- Autor
- Nora Fischer
- Herausgeber
- Anna Mader-Kratky
- Verlag
- Österreichische Akademie der Wissenschaften
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7001-8642-7
- Abmessungen
- 20.9 x 29.3 cm
- Seiten
- 306
- Kategorie
- Kunst und Kultur