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42 Christa Riedl-Dorn
laufend vergrößert. Die bedeutendste in diesem Zusammenhang ausgerüstete Expedi-
tion unter der wissenschaft lichen Leitung des von van Swieten empfohlenen nieder-
ländischen Gelehrten Nikolaus Joseph von Jacquin in den Jahren 1754 bis 1759 hatte
die Karibik und die nörd lichen Küsten von Südamerika zum Ziel. Die Instruktionen
für das Unternehmen hatte der Kaiser selbst konzipiert.4
Ordnung der Naturaliensammlung
Joannon de Saint-Laurent, der in einem literarischen Zirkel 1745 in Florenz mit Baillou
in Kontakt kam und häufig seine Sammlungen und Vorträge besuchte, publizierte
ohne Zustimmung von Baillou in Description abregée du fameux Cabinet de M. le
Chevalier de Baillou pour servir a l’histoire naturelle des pierres précises, métaux,
minéraux et autres fossiles (1746) eine Beschreibung von dessen Kabinett und dem
System der Mineralogie in Auszügen. Saint-Laurent kündigte darin auch ein sieben-
bändiges Werk mit 600 Abbildungen der „trefflichsten Stücke“ in Folio der
Baillou’schen Sammlung an, das Baillou geplant hatte.5 Dieses ist jedoch aus Kosten-
gründen nicht gedruckt worden. Der Gedanke, der hinter der Sammlung stand, war
nicht Prahlerei, sondern – im Sinne der Aufklärung – das Eindringen in die Geheim-
nisse der Natur, die Erkenntnis der Wahrheit und der Kampf gegen Aberglauben und
Scharlatanerie.
In Wien begann Baillou gemeinsam mit seinem Sohn Ludwig Balthasar sein nun-
mehr verkauftes Naturalienkabinett nach einem von ihm selbst entwickelten System
der Mineralogie aufzustellen, das heute eher skurril wirkt. Die Verbindung zwischen
Mineral- und Pflanzenreich wurde etwa so hergestellt, dass von den erdigen Substan-
zen über Erdpeche zur Pflanzenwelt übergegangen wurde.6 Der Kaiser bekundete sein
Interesse dadurch, dass er die Sammlung täglich besucht haben soll.
Nach dem Tod des Kaisers übergab Maria Theresia 1765 die Naturaliensamm-
lungen in das Eigentum des Staates und unterstellte sie dem Oberstkämmereramt. Die
Kaiserin verfügte auch die Überführung aus den Räumen der Hofbibliothek und dem
Kaiserhaus in der Wallnerstraße in zwei Säle (einen Saal und einen kleinen Vorraum)
des sogenannten Neuen Augustinerganges. Dieser 1756 fertiggestellte Korridor
ermöglichte den Mitgliedern des Hofes, aus ihren Appartements auf kürzerem Weg in
die Hofkirche St. Augustin zu gelangen, ohne den Residenzkomplex verlassen zu
müssen. Zusätzlich war von Beginn an geplant gewesen, die naturwissenschaft lichen
Sammlungen des Kaisers in Räumlichkeiten entlang des Korridors unterzubringen,7
wofür der Ankauf der Sammlung von Baillou den Ausschlag gegeben haben könnte.
Unmittelbar nach der Übersiedlung in den Neuen Augustinergang soll die Sammlung
4 Zedinger 2009, 293–300.
5 Saint-Laurent 1746, 149–155.
6 Vgl. Blöchinger von Bannholz 1868, 18.
7 Lorenz / Mader-Kratky 2016, 307–308 (Anna Mader-Kratky).
Schöne Wissenschaften
Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
- Titel
- Schöne Wissenschaften
- Untertitel
- Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
- Autor
- Nora Fischer
- Herausgeber
- Anna Mader-Kratky
- Verlag
- Österreichische Akademie der Wissenschaften
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7001-8642-7
- Abmessungen
- 20.9 x 29.3 cm
- Seiten
- 306
- Kategorie
- Kunst und Kultur