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46 Christa Riedl-Dorn
Meerespflanzen, Crustaceen und Muscheln sowie Gegenstände wie Brennspiegel und
Fernrohre19 als völlig disparate Objekte vorgenommen. Im ersten Raum übernahm
Born die Aufstellung der Schalentiere, Korallen und Versteinerungen offenbar noch
von Baillou bzw. nach dem Werk von Saint-Laurent.20 Im zweiten Raum befanden sich
die Mineralien im eigent
lichen Sinn. Bei der Aufstellung in den Jahren 1778 bis 1780
hatte Born Unterstützung durch den Mineralogen Karl Maria Haidinger, Johann
Baptist Megerle von Mühlfeld, den Chemiker und Apotheker Franz Xaver Bonsaing,
Karl Ehrenbrecht von Moll, den für Conchylien zuständigen Georg Sebastian Helbling
von Hirzenfeld und Saldonner. Die Mineralien wurden nach den Systemen der renom-
mierten schwedischen Mineralogen Johann Gottschalk Wallerius und Axel Frederic
Cronstedt geordnet.
Nach Abschluss der Einrichtung des zweiten Saals veröffentlichte Karl Maria
Haidinger eine Eintheilung der kaiserl. königl. Naturaliensammlung zu Wien. Erst-
mals scheinen hier auch „Felsgesteine“ im Anhang zu den Mineralien auf,21 doch kri-
tisierte Haidinger die Präsentation im Neuen Augustinergang: „[…] so sind auch hier
zur Befriedigung der Neugierigen die größeren, auffallenden, und glänzenden Schau-
stücke, welche das Aug ergötzen, hinter Glasschränke, doch so aufgestellt, daß die zu
einer und derselben Ordnung gehörigen Stücke beysammen stehen, obschon der Sim-
metrie wegen nicht selten die Arten aus der Reihe, in welcher sie aufeinanderfolgen
sollten, getrennet werden mußten.“22 Hingegen konnten die in den Schubladen unter-
halb der Glaskästen befind
lichen Objekte streng systematisch geordnet aufbewahrt
werden. Haidinger wurde 1780 als Adjunkt und später als Direktionsadjunkt am
Naturalienkabinett angestellt. Als er 1786 an die Bergakademie in Schemnitz berufen
wurde, schlug Born den ehemaligen Augustiner-Chorherrn und Professor der Natur-
geschichte und Geographie an der k. k. Real-Akademie Abbé Andreas Xaver Stütz als
dessen Nachfolger auf den Posten eines Direktionsadjunkten vor.
Nach dem Tod Josephs II. (1790) ließ Leopold II. das Physikalische Kabinett auf-
heben und überließ dem Naturalienkabinett einen dritten Saal, der nun von Stütz nach
Plänen von Born eingerichtet wurde. Hatte Born die systematische Einteilung der
mineralogischen Objekte nach Cronstedt und Wallerius, die Krebse, Conchylien und
Rindentiere (Radiaten in der Bezeichnung von Frédéric Cuvier) nach Carl von Linné
und die Zoophyten (Korallen und verwandte Gruppen) nach Peter Simon Pallas vor-
genommen, so bezog Stütz auch Arbeiten von Antoine Laurent de Lavoisier auf che-
mischem und solche von Abraham Gottlob Werner auf geologisch-mineralogischem
Gebiet ein. Modifikationen ergaben sich bei den Krebsen durch die Berücksichtigung
der Werke von Johann Christian Fabricius und Johann Friedrich Wilhelm Herbst und
bei den Korallen durch das Manuskript von Johann Paul Karl von Moll. Der vierte
19 Saint-Laurent 1746, 249.
20 Haidinger 1782, Vorrede.
21 Flügel 2003, 541. Haidinger erhielt 1785 für seinen „Entwurf einer systematischen Eintheilung der
Gebirgsarten“ den Preis der kaiser lichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg.
22 Haidinger 1782, Vorrede. Vgl. auch den Beitrag von Elisabeth Hassmann in diesem Band.
Schöne Wissenschaften
Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
- Titel
- Schöne Wissenschaften
- Untertitel
- Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
- Autor
- Nora Fischer
- Herausgeber
- Anna Mader-Kratky
- Verlag
- Österreichische Akademie der Wissenschaften
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7001-8642-7
- Abmessungen
- 20.9 x 29.3 cm
- Seiten
- 306
- Kategorie
- Kunst und Kultur