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54 Christa Riedl-Dorn
zahlreiche auf diesen Reisen gesammelte Pflanzen in dem vierbändigen Prachtwerk
Plantarum rariorum horti Caesarei Schoenbrunnensis descriptiones et icones, das in
Wien zwischen 1797 und 1804 erschien.
Eine weitere von Richard van der Schot angeregte Expedition führte 1785 den eben
erst aus Amerika zurückgekehrten Gärtner Franz Boos und den Gärtnergehilfen
Johann Georg Scholl an das Kap der Guten Hoffnung und Ersteren auf die Maskare-
nen. Besonders erwünscht waren neben Pflanzen und Mineralien „vierfüßige“ Tiere
aller Art mit Ausnahme von Raubtieren. Vor allem Zebras, Elefantenjunge, Nashorn-
kälber sowie Flusspferde und „Camelopardus oder Gyrafen“ waren von Interesse.
Zumindest der Wunsch nach einem Zebra konnte bald erfüllt werden: Noch bevor die
Gärtner in Südafrika eintrafen, schenkte der Prinz von Oranien 1786 Joseph II. ein
Zebra, allerdings betrugen die Kosten für den Transport nach Wien 345 Gulden.39
Nach ihrem Eintreffen am Kap im Mai 1786 unternahmen die Gärtner zahlreiche
Streifzüge ins Landesinnere. Boos reiste neun Monate später weiter nach Mauritius,
Scholl sollte die bisher erworbenen Tiere und getrockneten Pflanzen im Kapland
betreuen und nach Möglichkeit vermehren. In Mauritius erhielt Boos von dem Agrar-
ingenieur, Politiker und Forschungsreisenden Joseph-François Charpentier de
Cossigny de Palma zwei große Bergkristalle aus Madagaskar als Geschenk für Kaiser
Joseph II.40 Einer der beiden Bergkristalle, ein 115 Kilogramm schweres Exemplar, ist
auch heute noch in der Kastenvitrine im Saal I des Naturhistorischen Museum zu
bewundern (Abb. 6).
Nach seiner Rückkehr ins Kapland schiffte Boos die umfangreichen Sammlungen
aus allen drei Naturreichen ein und traf 1788 mit reicher Ausbeute an Tieren (darunter
250 Vögel, zwei Zebras und elf Affen), Pflanzen und Mineralien wieder in Wien ein.
Ein mitgebrachter Graupapagei (Psittacus e. erithacus) aus Südafrika befindet sich
heute ausgestopft in der Vogelsammlung des Naturhistorischen Museums, seine sterb-
lichen Überreste waren bereits vor 1806 an das „Thiercabinet“ gekommen. Boos
brachte ein Straußenpärchen mit. Das Weibchen lebte 18 Jahre in der Menagerie in
Schönbrunn und wurde nach seinem Ableben ebenso präpariert und im Naturalienka-
binett ausgestellt wie das Männchen, das bereit 1797 infolge eines verschluckten Eisen-
stückes verendete und in der Schausammlung präsentiert wurde.41 Auch die vier mit-
gebrachten Rosa Pelikane (Pelecanus onocrotalus) verbrachten 20 Jahre in der Schön-
brunner Menagerie, bevor sie an das „Hof-Naturalien-Cabinet“ gelangten.42 Viele der
für die Menagerie bestimmten Tiere überlebten den Transport allerdings nicht.
Durch eine Verkettung widriger Umstände musste Scholl bis 1799 im Gebiet des
heutigen Südafrika bleiben und unternahm dort weitere Sammelfahrten in weite Teile
39 Wien, HHStA, OMeA, SR 177.
40 Cossigny hatte in Palma (Mauritius) einen Akklimatisationsgarten gegründet, in dem er seltene Pflan-
zen züchtete, die er von seinen Expeditionen mitbrachte; vgl. Dictionnaire de biographie maurici-
enne, Bd. I (1941), 11–12.
41 Schiffter 1982, 134; Riedl-Dorn 2005, 233.
42 Fitzinger 1853, 108; Schiffter 1982; Riedl-Dorn 2005, 233.
Schöne Wissenschaften
Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
- Titel
- Schöne Wissenschaften
- Untertitel
- Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
- Autor
- Nora Fischer
- Herausgeber
- Anna Mader-Kratky
- Verlag
- Österreichische Akademie der Wissenschaften
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7001-8642-7
- Abmessungen
- 20.9 x 29.3 cm
- Seiten
- 306
- Kategorie
- Kunst und Kultur