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Schöne Wissenschaften - Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
Seite - 78 -
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78 Nora Fischer Vergegenwärtigt man sich die historische Hängung, werden Protest oder Applaus plausibler: Die grundsätz liche Struktur und das Organisationsprinzip der Neuaufstel- lung lässt sich anhand des Grundrisses im Katalog summarisch ablesen, das Wand- arrangement wiederum aufgrund des Verzeichnisses der Gemälde im Katalog detail- liert rekonstruieren (Tafel  5). Im ersten Stock des Oberen Belvedere befanden sich in den sieben Zimmern rechts des Marmorsaals die Gemälde der italienischen Malerschu- len, wobei das erste und zweite Zimmer der Venezianischen Schule gewidmet war, das dritte der Römischen Schule, das vierte der Florentiner, das fünfte der Bologneser, das sechste der Lombardischen Schule, das siebente Zimmer war nach italienischen Schu- len gemischt. In den sieben Zimmern links davon waren die bedeutendsten niederlän- dischen Meisterwerke des 16. und 17. Jahrhunderts ohne differenzierte geographische Binnengliederung angeordnet. Rubens, van Dyck, Teniers als Vertreter der Niederlän- der und Tizian auf Seiten der italienischen Schulen, von denen die kaiser liche Samm- lung überragende Bestände besaß, waren im ersten Stock eigene Räume gewidmet. Im zweiten Stock war die altniederländische bis zur niederländischen Malerei des 17.  Jahr- hunderts vornehmlich kleineren Formats versammelt, daran schloss rechter Hand die Deutsche Schule – in chronologischer Reihenfolge – von den ältesten Beispielen des späten 13. Jahrhunderts bis zur jüngsten Gegenwart Mechels an. Die Präsentation nach Malerschulen zeigte sich somit in den vier Flügeln des Obe- ren Belvedere ganz unterschiedlich ausgerichtet: nach regionalen Schulen differenziert bei den Italienern und nach kanonischen Malerœuvres bei den Niederländern im ers- ten Stock; nach einem stilistisch-organologischen Entwicklungsgang bei den Nieder- ländern und in historisch-chronologischer Perspektive bei den Deutschen im zweiten Stock. Es kamen, soviel wird auf den ersten Blick deutlich, in der Gemäldegalerie ver- schiedene Systematisierungsansätze zur Anwendung: Kein kohärentes System wird entfaltet, sondern ein Amalgam unterschied licher Konzepte erzeugt. Welche theoretischen Annahmen und methodischen Umsetzungen dabei konkret zum Tragen kamen, ist nicht einfach auszumachen. Mechel scheint mit großer Offen- heit vieles, das ihm innovativ und zur Umsetzung geeignet erschien, in der kaiser lichen Galerie rezipiert zu haben, egal welcher disziplinären Gattung es entstammte – und dabei unbefangen nicht unmittelbar Anwendbares beiseitegelassen und immanente Widersprüche ignoriert zu haben. Damit hat er der kaiser lichen Galerie um 1780 jenen zugleich eklektizistischen wie experimentellen Gehalt verliehen, der die Kritik so vehement herausforderte. Dieser Charakteristik zufolge erscheint es legitim, die Mechel’sche Galerieaufstel- lung mit dreien jener kreativen und originellen Systematisierungs- und Ordnungspro- jekte in Zusammenhang zu bringen, die in Wien um 1780 in inhalt licher, zeit licher und ört licher Parallele zur Durchführung kamen: dem Josephinischen Katalog der kaiser- lichen Hofbibliothek in Wien, der Druckgraphiksammlung von Albert von Sachsen- Teschen und der Wiener Edition von Johann Joachim Winckelmanns Geschichte der Kunst des Alterthums. Diese drei programmatischen Projekte sollen – so das Experi- ment – zu Vergleichen herangezogen werden, um Übereinstimmungen in Methoden, Konzepten, Begriffen und Kategorien der Rationalisierung und Verwissenschaft-
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Schöne Wissenschaften Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
Titel
Schöne Wissenschaften
Untertitel
Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
Autor
Nora Fischer
Herausgeber
Anna Mader-Kratky
Verlag
Österreichische Akademie der Wissenschaften
Ort
Wien
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-7001-8642-7
Abmessungen
20.9 x 29.3 cm
Seiten
306
Kategorie
Kunst und Kultur
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