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Wege der Ordnungsfindung in der kaiserlichen Galerie von 1781 79
lichung festzumachen. Dies betrifft den Umgang mit den Gemälden ebenso wie die
Kombinatorik von Gemälden an der Wand und die darin angewandten theoretischen
Konzepte.
Als konkreter Ausgangspunkt zur Bildung thematischer Querverbindungen bietet
sich als unmittelbarste Quelle der Gemäldehängung der Katalog respektive das Ver-
zeichniß der Gemälde der Kaiserlich König
lichen Bilder Gallerie in Wien von Christian
Mechel an. In einem relativ kurzen Textabschnitt manifestiert sich darin verdichtet die
ganze Ordnung der Bilder: „Der Zweck alles Bestrebens gieng dahin, dieses schöne
durch seine zahlreiche Zimmer-Abtheilungen dazu völlig geschaffne Gebäude so zu
benutzen, daß die Einrichtung im Ganzen, so wie in den Theilen lehrreich, und so viel
möglich, sichtbare Geschichte der Kunst werden möchte. Eine solche grosse öffent-
liche, mehr zum Unterricht noch, als nur zum vorübergehenden Vergnügen, bestimmte
Sammlung scheint einer reichen Bibliothek zu gleichen, in welcher der Wißbegierige
froh ist, Werke aller Arten und aller Zeiten anzutreffen, nicht das Gefällige und Voll-
kommene allein, sondern abwechselnde Kontraste, durch deren Betrachtung und Ver-
gleichung (den einzigen Weg zur Kenntnis zu gelangen) er Kenner der Kunst werden
kann.“7 Allein anhand dieser Quintessenz lässt sich das ganze Programm der kaiser-
lichen Galerie von 1781 – von der Zimmereinteilung, über das Arrangement der Bilder
bis zum theoretischen Überbau – auslegen, indem man den Textabschnitt Zeile für
Zeile analysiert und in den Kontext der genannten drei Wiener Systematisierungs-
bzw. Ordnungsprojekte stellt.
Ordnen wie in einer Bibliothek
„Eine solche grosse öffent
liche, mehr zum Unterricht noch, als nur
zum vorübergehenden Vergnügen, bestimmte Sammlung scheint einer
reichen Bibliothek zu gleichen, […].“8
Der Topos einer Korrespondenz zwischen Galerie und Bibliothek als Orte der Gelehr-
samkeit und des Erwerbs von Wissen steht im ausgehenden 18. Jahrhundert in einer
langen Tradition und reicht bis zu den Inscriptiones vel Tituli Theatri amplissimi […]
(1565)9 des als Gründungsvater neuzeit licher Sammlungstheorie geltenden Samuel
Quicchelberg zurück.10 Die Analogie wird im späten 18. Jahrhundert immer wieder
herangezogen, etwa von Johann Georg Sulzer in seiner Allgemeinen Theorie der schö-
nen Künste 1775, wo es heißt: „Dergleichen Gallerien [in Florenz, Wien, Dresden,
Düsseldorf und Sanssouci] sind für die zeichnenden Künste, was die öffent
lichen Bib-
liotheken für die Gelehrsamkeit; […] In dieser Absicht aber sollten sie auch nach
7 Mechel 1783, XI–XII.
8 Ebenda.
9 Quicchelberg 1565, d iii.
10 Vgl. Brakensiek 2003, 62.
Schöne Wissenschaften
Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
- Titel
- Schöne Wissenschaften
- Untertitel
- Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
- Autor
- Nora Fischer
- Herausgeber
- Anna Mader-Kratky
- Verlag
- Österreichische Akademie der Wissenschaften
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7001-8642-7
- Abmessungen
- 20.9 x 29.3 cm
- Seiten
- 306
- Kategorie
- Kunst und Kultur