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Schöne Wissenschaften - Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
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84 Nora Fischer stilistische Verwandtschaft von Kunstwerken einer Region. Ab dem frühen 18. Jahr- hundert wurde das Schulmodell gesamteuropäisch diskutiert, in der Differenzierung regionaler Schulen ausgeweitet, verschieden akzentuiert und bis zur Mitte des Jahr- hunderts zur akademischen Norm erhobenen. Die praktische Umsetzung des kennerschaft lichen Modells von Malerschulen erfolgte zunächst nicht im dafür gedachten Gegenstandsbereich der Malerei respektive in Gemäldesammlungen, sondern in Graphiksammlungen. Diese nur scheinbare Widersprüchlichkeit klärt sich im Hinblick auf die erwähnte Forschungspraxis auf: Die Möglichkeit, Reproduktionsstiche nach Gemälden in immer neuen Zusammen- stellungen nebeneinanderzulegen, sie in immer neue Zusammenhänge zu bringen und im Vergleich zu sehen, hat dazu beigetragen, dass gerade in graphischen Kabinetten das Modell der Malerschulen systematisch ausgearbeitet bzw. die entwicklungs- geschicht lichen Prozesse der jeweiligen Malerschule dargestellt wurden. Damit wur- den Graphiksammlungen gleichsam zum Missing Link zwischen Kunsttheorie und musealer Ordnung. Wenn also sammlungssystematische Überlegungen die Neuaufstellung der Galerie im Oberen Belvedere geleitet haben, die in Zusammenhang mit der Ordnung von Stichsammlungen stehen, dann drängt sich der Blick auf ein weiteres großes Unter- nehmen auf, das in den Jahren um 1780 in Wien durchgeführt wurde: die Gründung und Ordnung der Druckgraphiksammlung des Herzogs Albert von Sachsen-Teschen – zumal die Systematik gerade dieser Stichsammlung als eine der fortschrittlichsten ihrer Zeit angesehen wurde.23 Die eigent liche Sammlungsidee und -konzeption dieser Druckgraphiksammlung geht auf Giacomo Conte Durazzo zurück. Durazzo, zum frag lichen Zeitpunkt Gesandter des Wiener Hofes in Venedig, besuchte 1773 den damaligen Statthalter von Ungarn, Albert von Sachsen-Teschen, in Pressburg und erhielt 1774 von diesem den Auftrag, eine graphische Sammlung anzulegen. Schon zwei Jahre später konnte er dem Herzog eine erste Zusammenstellung von 1000 Blättern übergeben;24 1784 folgte dann eine zweite – aus eigenem Antrieb gesammelte und als persön liches Geschenk gewid- mete – Tranche mit 30.000 Blättern von 1400 Künstlern.25 In dem der Urfassung der Druckgraphiksammlung beigefügten Traktat, dem Discorso Preliminare von 1776, spricht Durazzo vom eigentlich „höheren Zweck“ der Sammlung, der in einer „Storia pratica della Pittura“ liege und deren „erstes Verdienst ihre strenge Einteilung in Zeitperioden in jedem ihrer Teile“ sei (Abb.  2).26 Für die „praktischen Geschichte der Malerei“ wird zuerst der Paragone zwischen den süd- 23 Zur Geschichte der Stichsammlung des Albert von Sachsen-Teschen und dem Discorso Preliminare Giacomo Conte Durazzos: Koschatzky 1963a–c; ders. 1964; Dossi 1998; Michel 2014. 24 Es handelt sich dabei nicht um die präzise Anzahl der Drucke, sondern um einen literarischen Topos für die Größe der Sammlung; vgl. Michel 2014, 14–15. 25 Welche Blätter definitiv übergeben wurden, lässt sich nicht mehr nachweisen; vgl. Dossi 1998, 16. 26 Albertina Wien, Giacomo Durazzo, Discorso Preliminare, Venedig 1776, Fassung I, Inv. Nr. 30858d, recto: „Merito primo della presente Collezione è l’Ordine de’ Tempi serbato in ogni sua parte“. Vgl. Dossi 1998, 16.
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Schöne Wissenschaften Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
Titel
Schöne Wissenschaften
Untertitel
Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
Autor
Nora Fischer
Herausgeber
Anna Mader-Kratky
Verlag
Österreichische Akademie der Wissenschaften
Ort
Wien
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-7001-8642-7
Abmessungen
20.9 x 29.3 cm
Seiten
306
Kategorie
Kunst und Kultur
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