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Schöne Wissenschaften - Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
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Die Bilder der Burg Karlštejn und die Erfindung(en) der Kunstgeschichte 99 Wie die Mehrzahl der 1872 angebotenen Werke war auch der Schwefelabguss einst Teil der Sammlung von Graf Giacomo Durazzo gewesen. Mög licherweise 1777 über seine „rechte Hand“, den Agenten Giovanni Antonio Armano,12 in Florenz erworben, gehörte der Zolfo zu den wohl bekanntesten und am heftigsten diskutierten Objekten seiner Kollektion. Der Abguss spielte nämlich eine zentrale Rolle in der damaligen Debatte um den Ursprung des Kupferstichs, schien er doch eine für diese Frage bedeu- tende Äußerung Vasaris zu bestätigen. In der zweiten Ausgabe seiner Viten, konkret im Abschnitt zu Marcantonio Raimondi, erkannte Giorgio Vasari in dem Goldschmied Maso Finiguerra den Erfinder dieser Drucktechnik. Maso hätte Schwefelabgüsse von seinen Silber-Gravuren verfertigt und mit diesen die ersten Tiefdrucke realisiert.13 Der Zolfo von Giacomo Durazzo galt nicht nur als materieller Beleg der von Vasari beschriebenen Arbeitstechnik Masos. Da der Abguss mit einer Pax-Tafel  korrespon- diert (heute Museo Nazionale del Bargello, Florenz), die Maso Finiguerra zugeschrie- ben und quellenbasiert in das Jahr 1452 datiert werden konnte,14 wäre ein Druck mit- hilfe des Schwefelabgusses als ältester bekannter „Kupferstich“ zu interpretieren gewesen. So zumindest die Argumentation von Giacomo Durazzo und seinen Anhän- gern, allen voran Giovanni Antonio Armano. Skeptiker zweifelten hingegen grund- sätzlich daran, dass Niello-Drucke als Kupferstiche anzusehen seien oder hinterfrag- ten die Existenz von Abzügen des besagten Zolfo.15 Die Vehemenz mit der Durazzo in dieser Debatte die Stellung Masos verteidigte, ist jedoch nicht bloß – in Hinblick auf seinen eigenen Schwefelabguss – mit Besitzer- stolz zu erklären. Es ging um mehr. Es ging darum, in logischer Konsequenz die Erfin- dung des Kupferstichs den Italienern zu sichern. Vasaris Ursprungstheorie war näm- lich alles andere als unumstritten. Vor allem nördlich der Alpen war man sich einig, dass nur die Deutschen als Entdecker des Metalldrucks infrage kämen. In seiner 1771 erschienenen Idée générale etwa wird Carl Heinrich von Heineken nicht müde, das Primat der Deutschen in der Geschichte des Kupferstichs zu betonen und Maso Finiguerra den Vorrang abzustreiten.16 Er gesteht den Italienern zwar große Verdienste 12 Vgl. Turrio Baldassarri 2003, 63. Zu Armano auch Tormen 2009, 1–51. 13 Vasari 1568, 294–295 (vgl. dazu auch die Vita von Piero und Antonio Pollaiolo). In der ersten Aus- gabe der Viten 1550 galt für Vasari noch Mantegna als Erfinder des Kupferstichs, vgl. Gregory 2012, hier v. a. 7–9, und Borea 1989/1990. Zu Maso Finiguerra als (vermeintlich) erstem Kupferstecher vgl. Oberhuber 1976, Torres 2011 und Collareta 2015. 14 Diese Datierung und die später mehrfach angezweifelte Zuschreibung an Maso basiert auf Anton Francesco Gori; vgl. Gori 1759, 315. 15 Selbst als Pietro Zani einen Druck nach der Pax-Tafel  in Paris entdeckte (vgl. Zani 1802), zeigte sich Mauro Boni – einst Mitstreiter Durazzos – wenig beeindruckt. Er bevorzugte Mantegna als Erfinder der Drucktechnik und sah Nielli grundsätzlich nicht als echte Kupferstiche an: „[…] la nuova scoperta [di Pietro Zani] della prova dell’incisione di Maso, tratta sulla carta prima di niellare la pace, non fa più al caso in quistione, che non han fatto le prove già note Seratti e Durazzo dall’istesso Maso ne’ zolfi. Questa non è una stampa nel vero senso, da contrapporre alla vera stampa del Mantegna e del buon Martino. […]“, Mauro Boni an Luigi Lanzi, 15.  Oktober 1802; vgl. Pastres 2009, 269, Anm.  431. 16 „Ansi Finiguerre a bien pû decouvrir l’art de graver à Florence, sans savoir, qu’il fût dejà inventé en Alemagne“ (Heineken 1771, 140) oder „Ce que nous avons dir jusqu’ici suffit pour prouver, que la gravure sur metal a été inventée en Alemagne, avant Finiguerre […]“ (ebenda, 232).
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Schöne Wissenschaften Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
Titel
Schöne Wissenschaften
Untertitel
Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
Autor
Nora Fischer
Herausgeber
Anna Mader-Kratky
Verlag
Österreichische Akademie der Wissenschaften
Ort
Wien
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-7001-8642-7
Abmessungen
20.9 x 29.3 cm
Seiten
306
Kategorie
Kunst und Kultur
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