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Schöne Wissenschaften - Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
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102 Gernot Mayer Wann genau Durazzo begann, sich für Nielli zu interessieren, ist unklar. Bemer- kenswert ist jedenfalls, dass er im Discorso preliminare von 1776, in dem er Konzep- tion und Ordnung der Druckgraphik-Kollektion für Albert von Sachsen-Teschen erläutert, die heikle Frage nach der Erfindung des Kupferstichs diplomatisch umschifft: „Lasciasi ai laboriosi ricercatori l’esaminare le intralciate contestazioni intorno al vero Inventore, ed al preciso anno dell’Invenzione dell’Intaglio, ed ai curiosi eruditi si lascia il percorrere i molti Scrittori, che l’un contro l’altro han portata opinione nell’attribuire all’Italia, o alla Germania la Gloria di sì bella scoperta.“32 – Hier kämpfte er also noch nicht für das Primat der Italiener. In einem anderen Passus zu den „primi Inventori“ der Druckgraphik erwähnt er zwar Martin Schongauer, Albrecht Dürer, Andrea Mantegna, Niccoletto da Modena und Bernardo Malpizzi, aber (noch) nicht Maso Finiguerra.33 Ein Jahr nach dem Discorso preliminare sollte er über Armano zahlreiche Nielli und mög licherweise auch den berühmten Zolfo erwerben.34 Erst jetzt scheint Durazzos patriotischer Eifer erwacht, der den Tonfall des zitierten Briefs an Pelli Bencivenni vom November 1779 prägt. Als er wenige Monate später nach Wien reiste, steckte Durazzo folglich mitten in seinen Studien zu den Anfängen des Kupferstichs und war für patriotisch motivierte Ursprungssuchen höchst sensibilisiert.35 Die Anatomie eines Irrtums 1774 veröffentlichte Gotthold Ephraim Lessing einen bedeutenden Fund: Er war in der Bibliothek zu Wolfenbüttel auf eine Teilabschrift von Teophilus’ De diversis arti- bus gestoßen, die unter anderem neue Erkenntnisse zum Ursprung der Ölmalerei ver- sprach. Galt bisher Jan van Eyck – erneut nach den Theorien Vasaris – als Erfinder dieser Technik,36 schloss Lessing aus dem aufgefundenen Manuskript, dass die Ölmalerei bereits im 9. Jahrhundert37 verbreitet gewesen war. Lessings Vom Alter der Oelmalerey aus dem Theophilus Presbyter provozierte eine europäische Debatte, die zahlreiche Publikationen – wie etwa Rudolf Erich Raspes A Critical Essay on Oil- Painting (1781) oder die Gegenschrift Versuch über das Alter der Oehlmahlerey zur Vertheidigung des Vasari (1792) von Christoph Otto Budberg – nach sich zog. Zudem 32 Albertina Wien, Inv.-Nr. 30858, Discorso preliminare (sog. Fassung I), fol. 3. Zu diesem Text vgl. Koschatzky 1964. 33 Ebenda, fol. 4. 34 Borroni Salvadori 1988, 445; Pastres 2009, 278, Anm. 454, und Santamaria 2012, 132, datieren den Ankauf – obgleich nicht gesichert – jeweils in das Jahr 1777. Zuvor befand sich der Zolfo jedenfalls im Besitz des Florentiner Altertumsforschers Anton Francesco Gori. 35 Dass auch in Wien – konkret bei Staatskanzler Kaunitz – über Durazzos Graphiksammlung gespro- chen wurde, zeigt eine Notiz im Tagebuch des Grafen Zinzendorfs vom 6.  August 1780: „Fini ma journée au jardin du Pce K[aunitz] où on parla estampes de la collection de M. de Durazzo […]“, zit. nach Klingenstein / Faber / Trampus 2009, 705. 36 Es gab jedoch auch – lokalpatriotisch motivierte – Gegenmeinungen: Cesare Eugenio Caracciolo oder Carlo Celano schrieben im 17. Jahrhundert die Erfindung der Ölmalerei dem neapolitanischen Maler Colantonio del Fiore zu; für Carlo Cesare Malvasia (1678) wiederum handelte es sich um eine Errun- genschaft des Bolognesen Lippo di Dalmasio. 37 Lessing 1774, 22. Heute wird die Handschrift zumeist in das frühe 12. Jahrhundert datiert.
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Schöne Wissenschaften Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
Titel
Schöne Wissenschaften
Untertitel
Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
Autor
Nora Fischer
Herausgeber
Anna Mader-Kratky
Verlag
Österreichische Akademie der Wissenschaften
Ort
Wien
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-7001-8642-7
Abmessungen
20.9 x 29.3 cm
Seiten
306
Kategorie
Kunst und Kultur
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