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106 Gernot Mayer
Staatskanzlers befriedigen (vgl. den Anhang dieses Beitrags).50 Im Zuge einer exakten
Bestandsaufnahme war es in Karlštejn zu einer überraschenden Entdeckung gekom-
men. Auf der Suche nach einer Künstlersignatur Wurmsers oder nach Hinweisen zur
Datierung war Ehemant unterhalb einer Madonnendarstellung auf eine Inschrift
gestoßen (Abb. 2), die einen neuen, bislang unbekannten Maler ins Spiel brachte:
Thomas von Mutina.51 Er schloss daraus, dass in der Burg zwei Künstler tätig gewesen
waren: Wurmser, dem Ehemant einen Großteil der malerischen Ausstattung zuschrieb,
und Mutina, der drei – ehemals ein Triptychon bildende – Tafeln (Abb. 3) sowie zwei
Altarflügel geschaffen habe. Dieser Mutina „könnte allenfalls ein Böhme [gewesen]
seyn“,52 merkt Ehemant zögernd an, schließt jedoch auch eine italienische Herkunft
des Malers nicht gänzlich aus. Auch in Hinblick auf eine Datierung äußert er nur mit
Vorsicht die Vermutung, dass Mutinas Bilder älter als jene um 1360 entstandenen
Werke Wurmsers seien. Keine Zweifel lässt er hingegen an der Tatsache, dass die Male-
reien der Kreuzkapelle in Öltechnik verfertigt wurden. Das bestätigten abermals
50 Dieser umfangreiche Bericht ist bislang nur in Auszügen bekannt gewesen, die in dem Aufsatz Die
Schildereien der böhmischen Königsburg Karlstein 1834 offenbar mit anderen, heute nicht auffind-
baren Briefen von Ehemant an Kaunitz vermengt, teils fehlerhaft transkribiert und falsch datiert
erschienen sind; vgl. Schildereien 1834, 77. Das originale Gutachten Ehemants findet sich mit zwei
der ursprünglich vier Beilagen in Brno, MZA, G 436, K. 460, Inv. 2619, fol. 39–51. Da das Dokument
nicht nur erhellende Informationen zu der malerischen Ausstattung der Burg Karlštejn bietet, son-
dern auch zur Denk- und Vorgehensweise Ehemants, findet es sich vollständig transkribiert im
Anhang abgedruckt. Ein weiterer Bericht von Ehemant, die Reliquien der Burg Karlštejn betreffend
(10. Mai 1780), findet sich abgedruckt bei Kment 1918; vgl. dazu: Wien, AVA, Alter Kultus, 435b,
Akt 215–780-98.
51 Diese Inschrift wurde auch gestochen (vgl. Abdruck in Jahn 1792, Tafel
1) und fand derart weite
Verbreitung, vgl. etwa Murr 1787, 17.
52 Brno, MZA, G 436, K. 460, Inv. 2619, fol. 48.
Abb. 3: Tommaso da Modena, Triptychon mit Maria mit Kind, Hl. Wenzel und Hl. Palmatius, 1355–1359,
Kreuzkapelle der Burg Karlštejn (Národní památkový ústav, Inv.-Nr. KA 3668)
Schöne Wissenschaften
Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
- Titel
- Schöne Wissenschaften
- Untertitel
- Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
- Autor
- Nora Fischer
- Herausgeber
- Anna Mader-Kratky
- Verlag
- Österreichische Akademie der Wissenschaften
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7001-8642-7
- Abmessungen
- 20.9 x 29.3 cm
- Seiten
- 306
- Kategorie
- Kunst und Kultur