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Schöne Wissenschaften - Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
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110 Gernot Mayer orien. Hierauf wurden die Gemälde ins Obere Belvedere gebracht und im zweiten Stock- werk, im ersten Saal der neu eingerichteten Deutschen Schule als älteste Werke der gesamten Galerie präsentiert.57 Mechel berichtet dazu an Oberlin: „[…] aber noch mehr weg[en] meiner decouverte von Gemäld[en], selbst aus dem 12ten u[nd] 13ten Jahrh[undert]. […] Im Ernst freund diese Entdeckung ist sehr wichtig[,] schade daß Lessing sie selbst nicht mehr erlebt hat. Von jeder Art sind einige Stücke nun als Probe in die Gall[erie] aufgestellt an der Spitze der ehrwürdig[en] Deutsch[en] Schule[,] der Martin Schöne[,] der Wohlgemuthe und etc. alles das soll nun figürl[ich] und lesbar hervorkommen […].“58 Um welche unerhörte Neuerung es sich hierbei handelte und welches Erstaunen diese hervorgerufen haben mag, verdeutlicht ein Bericht vom Jänner 1781: „In keiner Galerie sah man noch diesen Pinsel; in keinen ältern Kunstnachrichten las man die Nahmen Mutina, Wurmser und Theodoricus; nirgends redete man noch in unserm Vaterland entschieden von wirklich vorhandenen Oelgemälden aus dem dreyzehenden und vierzehenden Jahrhundert.“59 Diese Darstellung von Karl Wilhelm Hilchenbach ist entscheidend für die Chronologie der (Fehl-)Erkenntnisse zu den Karlštejner Bildern: Waren im Hochsommer 1780 noch Werke von Wurmser und Mutina nach Wien gekommen, wird Anfang 1781 bereits ein dritter Künstlername – Theodoricus – mit den Malereien in Zusammenhang gebracht. Zudem war das Triptychon Mutinas inzwi- schen massiv vordatiert worden: 1297 – nicht mehr nur 50, sondern nun schon mehr als 100 Jahre vor den ersten Werken van Eycks! – habe der böhmische Maler diesen Altar geschaffen. Die Entdeckung des Meisters Theoderich (bzw. Dietrich) ist abermals Franz Lothar Ehemant zu verdanken, der in diesem einen böhmischen Künstler und den tatsäch lichen Autor der Karlštejner Heiligendarstellungen erkannte.60 Auch die ominöse Frühdatierung des Triptychons in das Jahr 1297 – Primisser sprach von einem „ganz willkür lichen Zusatze“61 – scheint auf Ehemant zurückzu gehen.62 57 Vgl. Rekonstruktion der Hängung durch Nora Fischer auf Basis des Mechel-Katalogs von 1783, in: Swoboda 2013, 263. 58 Paris, BnF, Man. Allemand 197, Correspondance d’Oberlin, vol. 6, fol. 421.3, Mechel an Oberlin, 25.  Juli 1781. Mechel bat Oberlin in diesem Brief um Informationen zu einer Abschrift des Theophilus Presbyter in Paris. Mechel war nämlich selbst in Wien auf eine weitere Abschrift gestoßen – „so melde meinem Lieben freunde, daß ich dieses M[anuskript] noch vollständiger hier auf der Kaiserl. Bibl[iothek] zu großer pittoresquer freude gefunden habe und es allsog[leich] abschreiben ließ“ (ebenda, fol. 421.2) – und plante eine Gesamtedition des Theophilus Presbyter mit seinen eigenen Theorien zur Geschichte der Ölmalerei zu veröffent lichen. Vgl. zu diesen Plänen auch Hilchenbach 1781, 21. 59 Ebenda, 18. 60 Das geht aus dem letzten – wohl zwischen Juni 1780 und Jänner 1781 verfassten – Schreiben Ehemants an Kaunitz hervor, das sich nach aktuellem Wissensstand zwar nicht erhalten hat, aber 1834 über eine Abschrift zitiert wird, in: Schildereien 1834, 89 und 92–4. 61 Primisser 1824, 51. 62 Nach Jan Quirin Jahn brachte Ehemant das Triptychon mit einer in diesem Jahr dokumentierten Stiftung von König Wenzel II. in Verbindung (vielleicht da die rechte Tafel  den hl. Wenzel zeigt und Wenzel II. 1297 gekrönt wurde?); vgl. Jahn 1792, 17. Vgl. dazu auch Dobrowsky 1787, 46. Diese Datierung wird bereits in einem Brief von Nuntius Garampi (12.  November 1780) erwähnt; vgl. Campori 1866, 239. Die Jahresangabe blieb für viele ein Rätsel, manche suchten vergeblich nach einer entsprechenden Inschrift auf dem Triptychon, so in einem Brief an Jean Baptiste Seroux D’Agincourt vom 2.  Jänner 1795; vgl. Federici 1803, 74.
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Schöne Wissenschaften Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
Titel
Schöne Wissenschaften
Untertitel
Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
Autor
Nora Fischer
Herausgeber
Anna Mader-Kratky
Verlag
Österreichische Akademie der Wissenschaften
Ort
Wien
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-7001-8642-7
Abmessungen
20.9 x 29.3 cm
Seiten
306
Kategorie
Kunst und Kultur
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