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Schöne Wissenschaften - Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
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Die Bilder der Burg Karlštejn und die Erfindung(en) der Kunstgeschichte 111 Mechel übernahm diese Theorien voller Eifer: zunächst im deutschsprachigen Katalog der kaiser lichen Galerie von 1783,63 dann ein Jahr später mit besonderem Nachdruck in der französischen Ausgabe, der er einen Abriss der Geschichte der deut- schen Malerei voranstellte. In diesem verwies er auf umfassende Archivrecherchen und auf „examens rigoureux accompagnés d’essais chymiques faits en présence de plu- sieurs Artistes et Amateurs“,64 die den Gebrauch von Ölfarben bei den Karlštejner Bildern bestätigt hätten. Und all das ohne die geringste Erwähnung von Franz Lothar Ehemant, der im Oktober 1782 verstorben war und sich weder gegen die Aneignung noch gegen die Umdeutung seiner Theorien durch Mechel wehren konnte.65 Spätestens über Mechels Galeriekataloge fanden die Wiener Ursprungsphantasien weite Verbreitung.66 Manche schritten nun „bey patriotischer Herzenserhebung“67 durch die neue Deutsche Schule im Oberen Belvedere oder nahmen sich den Fall Karlštejn zum Vorbild und suchten weiter nach alten Ölgemälden, um „der Ehre und des Stolzes einer ganzen Nation“68 zu dienen. Andere hingegen kritisierten das zwi- schen Prag und Wien entworfene Narrativ: Sowohl die Künstlerzuschreibungen als auch die Datierungen sowie der Kern von Mechels Theorem – die deutsche Erfindung der Ölmalerei – wurden hinterfragt und zunehmend dekonstruiert. Bereits Anfang 1781 wehrte sich Mechel gegen den Verdacht, sein böhmisch-deut- scher Mutina könnte aus Italien stammen: „Mutina ist bey leibe kein Modeneser ein guter ehr licher Böhme ein damals schon altes böhmi[sches] adel[iges] Geschlecht“,69 63 Mechel 1783, 230–231. 64 Ders. 1784, VII. 65 Ehemant selbst nannte in seinen Schriften – abgesehen von Kastner – jedoch nicht alle seine Mitarbei- ter und Berater. Nach Neuwirth sei es der Maler und Kunsthistoriker Jan Quirin Jahn gewesen, der bereits 1775 in den Karlštejner Werken Zeugnisse der Ölmalerei erkannt habe; vgl. Neuwirth 1896, 10. Jahn selbst nennt zudem weitere Mitarbeiter Ehemants: Joseph Sechter, der Grundrisse zeichnete (vielleicht auch Abb.  1) und Abmessungen durchführte, und den Maler Franz Karl Wolf; vgl. Jahn 1792, 10–11. Trotz Würdigung seiner Verdienste merkt Jahn kritisch an: „Ehemant war damals nur angehender Lehrer, noch weniger Kunstkenner, und wurde durch Vorurtheile sowohl, als durch Vorliebe getäuscht“; ebenda, 10. 66 Die rasche Verbreitung verdeutlicht beispielsweise der Verweis auf die Karlštejner Bilder in Büsching 1781, 178; auch in große Geschichtswerke wie Christoph Wilhelm Kochs Tableau des révolutions de l‘Europe dans le moyen âge (Strassburg-Paris 1790) wurde Mechels Theorie aufgenommen (vgl. Bd. 2, 333). Ferner hinterließ Mechels Präsentation Spuren in Reise- und Tagebüchern. Vgl. den Tagebuch- eintrag des russischen Architekten und Gelehrten Nikolaj Aleksandrovic L’vov; L’vov (Lappo- Danilevskij 1998), 191–192. 67 Nachrichten von dem gegenwärtigen Zustand 1780, 60. 68 So Heinrich Sebastian Hüsgen, der in Frankfurt nach den ältesten Beispielen der Ölmalerei suchte: „Nachahmung guter Beyspiele, besonders wenn sie als Beweise der Ehre und des Stolzes einer ganzen Nation dienen können, ist die größte Schuldigkeit eines Patrioten. Diejenigen Versuche, die man in Wien an denen, von Hrn. Professor Ehemannt, in Prag auf dem Schlosse Karlstein entdeckten uralten Gemählden des Thomas de Mutina, in Beyseyn des Fürsten Kaunitz, mit unterschiedenen scharfen Materien gemacht hat, brachten mich auf die Gedanken, ebenfalls nähere Untersuchungen an den gleich alten Gemälden in der hiesigen St.  Michaelskapelle anzustellen.“ Hüsgen 1782, 325. Von diesen Untersuchungen mit Johann Gottlieb Prestel berichtet auch Murr 1787, 16. 69 München, Universitätsbibliothek, 2 Cod. Ms 657, fol. 88–89, Mechel an Murr, 20.  Jänner 1781.
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Schöne Wissenschaften Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
Titel
Schöne Wissenschaften
Untertitel
Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
Autor
Nora Fischer
Herausgeber
Anna Mader-Kratky
Verlag
Österreichische Akademie der Wissenschaften
Ort
Wien
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-7001-8642-7
Abmessungen
20.9 x 29.3 cm
Seiten
306
Kategorie
Kunst und Kultur
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