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Schöne Wissenschaften - Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
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112 Gernot Mayer schrieb er seinem Freund Christoph Gottlieb von Murr entschieden, was Murr jedoch nicht daran hinderte, dies 1787 publizistisch infrage zu stellen.70 Wesentlich vehemen- ter kritisierte Josef Dobrovský im gleichen Jahr das Vorgehen Mechels: Die Aufteilung der Werke zwischen Wurmser und Meister Theoderich sei „willkührlich angenommen“71 und Mutina sei zweifelsfrei ein Italiener gewesen. Weder Murr noch Dobrovský kannten schon das kurz zuvor (1786) erschienene Künstlerlexikon von Girolamo Tiraboschi, in dem mit Tommaso da Modena „un nuovo Pittor Modenese“ vorgestellt und als Autor der Karlštejner Bilder präsentiert wurde.72 Tiraboschi war bestens informiert, denn Nuntius Giuseppe Garampi hatte ihm bereits im November 1780 von diesen Gemälden aus Wien berichtet.73 Mit der Zuschreibung des Triptychons der Wiener Galerie an Tommaso Barisini, besser bekannt als Tommaso da Modena (1326–1379), verlor sowohl die deutsche Erfindung der Ölmalerei als auch deren Datierung ins späte 13. Jahrhundert jeg liche Grundlage. In Wien konnte sich der Mythos vom deutschen Böhmen Mutina dennoch bis weit ins 19. Jahrhundert halten.74 In Italien entstand indes eine lokalpatriotisch aufgeladene Debatte darum, welcher italienischen Schule nun das Vorrecht auf die Entdeckung der Malerei mit Ölfarben zukomme, behauptete Domenico Federici doch, dass Tommaso da Modena ursprünglich aus Treviso stamme.75 All diese Speku- lationen und Diskussionen hingen jedoch von einer höchst fragwürdigen Prämisse ab, nämlich dass die genannten Malereien tatsächlich in Öl-Technik ausgeführt worden waren. Heute wird keines der Werke aus der Burg Karlštejn – ob Tommaso da Modenas Triptychon oder die Tafeln von Magister Theodoricus und seiner Werkstatt – der Ölmalerei zugerechnet: Sie gelten als Tempera-Arbeiten. Schon im 18. Jahrhundert waren Zweifel an den „chemischen“ Untersuchungen der Wiener Akademie laut geworden. Luigi Lanzi berichtet in der zweiten Fassung seiner Storia pittorica (1795/1796), dass ihm niemand anderer als Graf Giacomo Durazzo, der selbst bei diesen Analysen in Wien zugegen gewesen war, vergewissert habe, dass man 1780 nicht die geringsten Spuren von Ölmalerei an den Bildern gefun- den habe:76 „Ma circa a questa il Sig. Conte Durazzo già Legato Cesareo a Venezia, che insieme col Sig. Principe Kawnitz avea veduto farne l’analisi, mi assicurò l’anno scorso, che i pittori convocati a quell’esame giudicarono, che quella pittura fosse dipinta di 70 Murr 1787, 18. 71 Dobrowsky 1787, 46. Vgl. dazu auch eine Notiz in Meusel 1788, 68–70. 72 Tiraboschi 1786, 269. 73 Campori 1866, 238–241. Garampi schrieb später auch an Federici bezüglich der Mutina-Bilder, vgl. Abdruck in Federici 1803, 70–73. 74 Erst im Galerieverzeichnis von Eduard von Engerth (Bd. 1, 1882, 221–222) scheint das Triptychon als Teil der italienischen Schulen und als Werk von Tommaso da Modena auf. 75 Federici 1803, I, 59. Vgl. dazu Pastres 2009, 320, Anm. 574. 76 Es ist nicht ganz klar, ob Durazzo tatsächlich mit Luigi Lanzi über die Wiener Analysen gesprochen hat, denn Mauro Boni behauptet 1804, er habe Lanzi diese Informationen vermittelt, vgl. Pastres 2009, 330, Anm. 614.
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Schöne Wissenschaften Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
Titel
Schöne Wissenschaften
Untertitel
Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
Autor
Nora Fischer
Herausgeber
Anna Mader-Kratky
Verlag
Österreichische Akademie der Wissenschaften
Ort
Wien
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-7001-8642-7
Abmessungen
20.9 x 29.3 cm
Seiten
306
Kategorie
Kunst und Kultur
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