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122 Gernot Mayer
Quis opus hoc finxit Thomas de Mutina pinxit
Quale vides lector Rarisini filius autor.
Gleichwohl war ich noch nicht um Wurmsern, dessen Ehre sich Glaffey (in Collec-
tione anecdotorum S. R. hist., ad I. P. Illust. p 43. und 490.) mit allem Recht annimmt,
so sehr besorgt, daß ihn Thomas von Mutina gänzlich aus seiner Stelle verdrängen
werde. Schon die Stelle eines Briefs den der berühmte Bohuslaus Hassensteinsky von
Lobkwitz im Jahre 1509 ab einen seiner Freunde erlassen, ließ mich das Beste für ihn
hoffen. In diesem Briefe nämlich wird, unter anderm, gesagt, daß als Kaiser Karl IV
sich in Rom aufgehalten hatte, er einem aus seinen Malern befohlen habe, das Schweiß-
tuch Christi der Hl. Veronica, das er vom Pabst Urban V auf einige Tage erhalten, zu
copiren (Lib. IV. Epistol. p. 156. Edit. Thomae Milis)
Noch mehr ward ich aber in meiner Meynung bestärkt, als ich eine genaue Verglei-
chung der Madonna sub. No. 6. mit den Stücken, die ein länglichtes Viereck bilden,
anstellte. Mutina ist sehr leicht vom Wurmsern zu unterscheiden; denn die Verschie-
denheit der Zeichnung, des Colorits und der übrigen Behandlung ist so auffallend daß
iedermann sehr deutlich zween Meister erkennen wird.
Mutina hat zwar die Gesichter so ziemlich richtig nicht aber den Leib und die Fin-
ger gezeichnet, wie aus der sub. L. B. oben angeführten Zeichnung, die der Rathsmann
Franz Wolf, ohne das geringste zu verbessern oder zu verschönern sehr richtig von der
Madonna sub No. 6. genommen hat, zur Genüge erhellen wird. Sonst hat dieser
Künstler z. B. den Schleyer und die Haare mit viel Fleis traktirt. Sein Kolorit ist sehr
feurig; und man sieht übrigens unter seinen Farben keine Lackfarben, aber statt dessen
natür lichen Zinober.
Wurmser zeichnete die Hände besser; im Ganzen herrscht mehr Richtigkeit in der
Proportion; seine Carnation ist mehr verblassen und mollet; aber nicht so feurig als des
Mutina. Die Nebendinge sind mit mehr Kühnheit und Fertigkeit behandelt; und statt
des Zinobers, bemerkt man bey ihm einen starken Gebrauch der Lackfarben, die aller-
dings durch die Länge der Zeit ungleich mehr verlieren mussten.
Ueberdieß braucht man sich auf dergleichen Dinge nur ein wenig zu verstehen, um
einzusehen, daß beyde Artisten die Natur genau nachzuahmen suchten; den meisten
Fleis auf Hauptsachen wandten, und alles mit starken und herzhaften Zügen und so
lebhaft auszudrücken sich bemühten, als die guten deutschen Maler zu Albrecht
Dürers Zeiten, die über ein Seculum später darauf lebten.
Dagegen müßte man sich zu sehr von dem Vorurtheile fürs Alterthum blenden
lassen, wenn man nicht noch viel vom gothischen Geschmacke, wenn man nicht
die schlechten Gewänder, die vergoldeten Zierrathen tadelnswerth daran finden
wollte.
Bisher halte ich nur folgende Gemälde von der Hand des Mutina No 5, 6, 7, 134
und 135. Alle übrige auf Wand, Brett mochte Nikolaus Wurmser verfertiget haben. Ich
sage mit Bedacht mochte; denn bisher war ich nicht so glücklich Wurmsers Namen auf
irgend einem Gemälde zu finden; auch konnte nicht iedes Stück gehörig geprüft und
mit andern verg lichen werden. Auch geschieht in den vaterländischen Geschicht-
Schöne Wissenschaften
Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
- Titel
- Schöne Wissenschaften
- Untertitel
- Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
- Autor
- Nora Fischer
- Herausgeber
- Anna Mader-Kratky
- Verlag
- Österreichische Akademie der Wissenschaften
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7001-8642-7
- Abmessungen
- 20.9 x 29.3 cm
- Seiten
- 306
- Kategorie
- Kunst und Kultur